Die Vielfalt der Pflanzen ist ein Teil der Biodiversität der Erde. Sie ist unsere Lebensgrundlage und wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das Vorhandensein der Pflanzen in den Lebensräumen um uns herum ist für uns so selbstverständlich geworden, dass ihre immerwährende Existenz, trotz ständig lauter werdender Warnungen gar nicht in Frage gestellt wird. Forschende der Royal Botanic Gardens in Kew (England) gehen in ihrem Bericht „State of the World`s plants and fungi“, der 2020 veröffentlicht wurde, davon aus, dass 39,4 % der Pflanzen weltweit bedroht sind. Das Bundesamt für Naturschutz kommt in seiner 1998 veröffentlichten Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen zu dem Ergebnis, dass fast 1/3 der Wildpflanzen in Deutschland in ihrem Bestand gefährdet sind. Dieser Prozess des Artensterbens läuft oft unbemerkt vor der eigenen Haustür ab. Dem Verschwinden einzelner Arten wird keine Bedeutung beigemessen, solange es nur „schön grün“ um uns herum ist. Dabei ist jede einzelne Pflanze nicht nur ein ästhetisches Wunderwerk, sondern auch ein Füllhorn von biologisch aktiven Verbindungen, die wir Menschen in Form von Heil- und Nahrungspflanzen und nicht zuletzt auch Pflanzen zur Schönheitspflege seit Jahrtausenden nutzen. Die enorme Vielfalt an Verbindungen und der hohe Grad an Komplexität der Stoffwechselvorgänge, denen wir diese Produkte zu verdanken haben, ist ehrfurchtgebietend. Da Pflanzen ortsgebunden sind, können sie nicht vor Fressfeinden davonlaufen, oder zum Zweck der Fortpflanzung aktiv einen Partner aufsuchen. Auch bei der Verbreitung ihrer Samen sind sie auf Mittler angewiesen. Bei der Lösung dieser Probleme haben die Pflanzen neben anderen Strategien auch auf Chemie gesetzt. Im Laufe der Evolution haben sie zur Abwehr von Fressfeinden und Krankheitserregern ebenso wie zur Anlockung von Bestäubern und Samenverbreitern, in Wechselwirkung mit den jeweiligen Adressaten eine Fülle an chemischen Verbindungen mit sehr spezifischen Eigenschaften entwickelt. Sowie sich die Pflanzen im Aussehen unterscheiden, unterscheiden sie sich auch in ihren Gehalten und ihrer Zusammensetzung an biologisch aktiven Inhaltsstoffen, wodurch sie für die unterschiedlichsten menschlichen Bedürfnisse geeignet werden. Aktuelle Untersuchungen gewähren tiefe Einblicke in die Wirkmechanismen und enthüllen immer neue Eigenschaften der untersuchten Pflanzen. Zugleich betonen sie hiermit die Bedeutung der Pflanzen als Quellen für Innovationen im Bereich Medizin, Kosmetik- und Körperpflege sowie der Nahrungsmittelindustrie. Allerdings ist erst, verglichen mit der gesamten Pflanzenvielfalt der Erde, nur ein geringer Anteil untersucht und damit ihr Potential aufgezeigt worden. Jede verlorene Pflanze bedeutet eine verlorene Chance.
Jede Pflanze ist aber nicht nur Teil der Vielfalt des Lebens auf unserem Planteten (Biodiversität), sondern gleichzeitig Quelle für eine enorme Vielfalt von Tieren, Pilzen und Mikroorganismen sowohl ober- als auch unterirdisch. Am offensichtlichsten ist dies im Bereich der Insekten. Jede einzelne Pflanze wird nicht nur von einer Vielzahl Insekten bestäubt, sondern bietet ihnen auch Nahrung und Lebensraum. In der Natur hängt alles mit allem zusammen. Der Schutz der Pflanzenvielfalt bedeutet daher auch immer den Schutz der Vielfalt der von ihnen abhängigen Lebewesen, einschließlich des Menschen.
Ziel dieser Seite ist es, an Hand ausgewählter Beispiele, die Rolle und das Potential wildlebender, einheimischer Pflanzen und ihrer Familien für die Artenvielfalt von Tieren - mit dem Schwerpunkt auf den blütenbesuchenden Insekten - und für das für menschliche Wohlbefinden, darzustellen. Pflanzen tragen nämlich nicht unerheblich in wichtigen Bereichen unseres täglichen Lebens, wie Schönheits- und Körperpflege, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten sowie Ernährung zu unserem Wohlbefinden bei. Der Schwerpunkt liegt auf dem Aspekt Kosmetik- und Körperpflege, da die Rolle, die unsere einheimischen Pflanzen in diesem Bereich spielen, im Vergleich zu ihrer Rolle in der Gesundheitspflege und der Ernährung, in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist. Dabei sind es nicht nur exotische Lebensräume, wie etwa die tropischen Regenwälder, die mit ihrer Pflanzenfülle für hocheffektive Wirkstoffe in unseren Kosmetik- und Körperpflegeprodukten sorgen. Etwa 24 % der Pflanzen der mitteleuropäischen Pflanzenwelt werden in der Kosmetikindustrie genutzt. Das Reservoir an heimischen Pflanzen mit wertvollen bioaktiven Inhaltsstoffen, die zu wichtigen Innovationen in der Körperpflegeindustrie führen könnten, ist mit diesem Anteil aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Allzu häufig stehen bei der Betrachtung einer Pflanze die Fragen im Vordergrund: „Was kann sie? In welcher Hinsicht kann sie mir nützen? Kann man sie essen?“ Diese Seite soll für einige heimische Pflanzen diese Fragen beantworten.
Über 90 % der Heilpflanzen werden von Insekten bestäubt. Abb. M. Neitzke