Scharbockskraut (Ficaria verna)

Das Frühlings-Scharbockskraut (Ficaria verna) –

nicht nur bei Skorbut eine Hilfe



  • Bedeutung des Frühlings-Scharbockkrauts für Biodiversität und menschliches Wohlbefinden
  • Die Bedeutung des Scharbockskrauts in der Kosmetik und Körperpflege
  • Die Bedeutung des Scharbockskrauts in der Heilkunde
  • Botanischer Exkurs – von Honigblättern, Wurzelknollen und Getreideregen
  • Blütenbesucher des Scharbockskrauts

Bedeutung des Frühlings-Scharbockkrauts für Biodiversität und menschliches Wohlbefinden


Das Frühlings-Scharbockkraut gehört zu den Elementen unserer heimischen Pflanzenvielfalt (Biodiversität), die das Bild des Frühlings in Mitteleuropa mitprägen. Mit seinen kräftig grünen, glatten, speckig glänzenden Blättern und mit seinen wie lackiert aussehenden, strahlend goldgelben Blütensternen zieht es bereits im März das Augenmerk des aufmerksamen Beobachters auf sich. Seine geringe Wuchshöhe von nur etwa 5-20 cm macht es dabei durch die Tatsache wett, dass es oft in dichten Beständen wächst und den Boden ihm zusagender Standorte in mehr oder weniger ausgedehnten gelbblühenden Teppichen überzieht. Von März bis Mai ist das Scharbockskraut am Fuß von Hecken, auf dem Boden feuchter Laubwälder, an Bach- und Flussufern und in feuchten Wiesen anzutreffen. Es bevorzugt frische und nährstoffreiche Böden. Das Scharbockskraut (Ficaria verna) gehört zu der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae).[5]


Das Frühlings-Scharbocksraut wächst bevorzugt an Bach- und Grabenrändern (oben links), am Fuß von Hecken (oben rechts), auf feuchten Wiesen (unten links) oder feuchten Waldböden (unten rechts). Fotos: M. Neitzke

Sowohl der deutsche Name „Frühlings-Scharbockskraut“ als auch die wissenschaftliche Bezeichnung „Ficaria verna“ nehmen Bezug auf den frühen Blühtermin dieser Frühlingspflanze. Die Bezeichnung „verna“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „zum Frühling gehörend“. Dieser frühe Blühbeginn hat ihm in manchen Gegenden, wie auch dem Schneeglöckchen, die Bezeichnung „Frühlingsbote“ eingetragen.

Ähnlich wie das Schneeglöckchen wird auch das Scharbockskraut zu einer frühen wertvollen Quelle für Pollen und Nektar für die aus ihrer Winterruhe erwachenden Insekten, die als Vollinsekten (Imgaos) oder Puppen überwintert haben. Über 30 verschiedene Insektenarten wurden bei dem Besuch der Blüten des Scharbockskrauts beobachtet.[19, 32] Neben der Honigbiene sind es vor allem verschiedene Wildbienenarten, aber auch Schwebfliegen, Schmetterlinge und Käfer, die die Blüten aufsuchen. Zahlreichen Bienen- und Schwebliegenarten begegnen wir später als Bestäuber auf unseren Obstbäumen und anderen Nutzpflanzen wieder. Das Scharbockskraut ist also eine wichtige frühe Futterpflanze für dringend benötigte Bestäuber.



Das Scharbockskraut dient vielen früh fliegenden Insekten als Nektar- und Pollenquelle. Fotos: M. Neitzke


Früher war das Scharbockkraut eine wichtige Nahrungs- und Heilpflanze. So nimmt sein deutscher Name Bezug auf seine ehemals recht bedeutsame Verwendung gegen Skorbut, einer Vitamin-C - Mangelkrankheit. Scharbock ist eine altertümliche Bezeichnung für Skorbut. Der Vitamin-Gehalt der Blätter ist mehr als doppelt so hoch wie der einer Orange oder Zitrone. Als erstes Frühlingsgrün dienten die grünen Blätter daher nach den frischkostarmen Wintermonaten nicht nur als beliebte Nahrungs- sondern auch eine Heilpflanze. Darüber hinaus war das Scharbockskraut (Ficaria verna) Bestandteil der Volksmedizin vieler Länder.[2, 14, 16, 20, 21, 23] Moderne Untersuchungen der Inhaltsstoffe und der Wirkung von Extrakten haben bisher einige Anwendungen als plausibel erscheinen lassen.[9, 14, 16, 20] Auch in der Kosmetik hat sich das Scharbockskraut in den letzten Jahren einen Platz erobert.[11, 12, 13]



Die Bedeutung des Scharbockskrauts in der Kosmetik und Körperpflege  

     

Der wissenschaftliche Name des Scharbockkrauts, das zur Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) gehört, ist heute „Ficaria verna“. Eine Zeit lang wurde das Scharbockskraut in der botanischen Systematik zur Gattung „Ranunculus“ auf Deutsch „Hahnenfuß“ gestellt. In den Listen der kosmetischen Inhaltsstoffe auf Produkten, die das Scharbockskraut enthalten, wird es daher immer noch unter der alten Bezeichnung „Ranunculus ficaria“ geführt. 


Seine einzigartige Mischung an biologisch aktiven Substanzen lassen das Scharbockskraut zu einem begehrten Rohstoff in der Kosmetikindustrie werden.

Die Extrakte des Scharbockskrauts finden sich vor allem in Produkten, die bei Hautrötungen (z.B. rote Flecken, erweiterte Blutkapillaren) und bei empfindlicher und gereizter Haut helfen sollen. Auch Anti-Aging-Produkte gehören aufgrund der vielfältigen Wirkung seiner Inhaltsstoffe zu den Einsatzgebieten von Scharbockskrautextrakten.





Die in den Extrakten des Scharbockkrauts enthaltenen Saponine besitzen beruhigende Eigenschaften und können Hautrötungen reduzieren. Saponine stabilisieren die oberflächlichen Blutkapillaren und festigen das umliegende Bindegewebe.[18] In Untersuchungen könnte gezeigt werden, dass saponinhaltige Extrakte des Scharbockkrautes die durch UV-Strahlung hervorgerufenen Entzündungen vermindern und eine Reduktion roter Flecken auf der Haut bewirken. Der hohe Vitamin-C-Gehalt des Scharbockskrauts kann nicht nur Vitamin-C-Mangelkrankheiten, wie den Skorbut bekämpfen, sondern entfaltet auch eine positive Wirkung in der Kosmetik. So kann Vitamin C zu einer Festigung der Haut und des Bindegewebes beitragen und die Zellerneuerung stimulieren. Es schützt die Haut vor freien Radikalen und hilft der Haut sich zu regenerieren. Die in allen Pflanzenteilen enthaltenen Polyphenole sind ebenfalls für ihre positive Wirkung auf die Haut bekannt, und zwar nicht nur innerlich, sondern auch bei äußerlicher Anwendung. Aufgrund ihrer starken antioxidativen Wirkung schützen sie die Haut vor der Wirkung freier Radikale und dadurch vor den schädigenden Einflüssen einer zu hohen Sonnenbestrahlung und vor den Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Haut. Für sie wurde eine entzündungshemmende, die Wundheilung beschleunigende sowie Hautirritationen reduzierende Eigenschaften nachgewiesen. Sie besitzen antimikrobielle Wirkung. Die enthaltenen Gerbstoffe wirken ebenfalls entzündungshemmend und reizmildernd adstringierend.




Die Bedeutung des Scharbockskrauts in der Heilkunde


In der Phytotherapie wird das Frühlings-Scharbockskraut (Ficaria verna) nicht verwendet. In der Volksheilkunde vieler Länder hat es jedoch eine lange Tradition bei vielerlei Anwendungen. In der traditionellen Medizin dient es als entzündungshemmendes, zusammenziehendes (adstringierendes), antibiotisches und blutungsstillendes (antihämorrhagisches) Mittel.[8, 10, 27, 28, 29]. Es wurde verwendet um Entzündungen der Bronchien, der Luftröhre, der Mundhöhle wie z.B. Zahnfleischentzündungen und Entzündungen der Mundschleimhaut, sowie von Gelenken aber auch von Hautausschlägen, Akne, Wunden und Blutungen zu behandeln. Darüber hinaus sollen Extrakte des Scharbockkrautes eine harntreibende, bei Atemwegserkrankungen eine auswurffördernde und blutreinigende Wirkung besitzen. Verwendet wurden vor allem die getrockneten Wurzelknollen.[2, 9, 14, 16, 20, 21, 23]

Insbesondere wurden Extrakte des Scharbockskrautes zur äußerlichen Behandlung mittels Salbe oder Zäpfchen bei Hämorrhoiden und Feigwarzen angewendet.[10, 29] Auf letzteres Anwendungsgebiet weist auch ein weiterer deutscher Trivialname, nämlich Feigwurz, hin. In neuerer Zeit wurde der Einsatz des Scharbockkrautes zur Behandlung von Feigwarzen und Hämorrhoiden vielfach als Aberglaube ohne wissenschaftliche Grundlage belächelt und als Ergebnis der sog. Signaturenlehre abgetan. Bei der Entschlüsselung des Einsatzgebietes von Pflanzen in der Heilkunde, schlossen die Kräuterkundigen im Mittelalter vielfach vom Aussehen einer Pflanze auf ihre Wirksamkeit. Sie vertraten die Ansicht, dass das Aussehen der Pflanzen nicht zufällig, sondern von Gott beabsichtigt sei und mit Hilfe ihrer Form und Farbe der sog. Signatur eine Botschaft übermittelt werde und das Aussehen einer Pflanze Hinweise auf ihre Einsatzmöglichkeiten in der Heilkunde enthielte. So sollten die Heilkundigen aus der Form der Wurzelknollen, die an Hämorrhoiden und Feigwarzen erinnern, auf die Anwendung des Scharbockskrautes bei eben diesen Leiden geschlossen haben. Heute wird eine erfolgreiche Behandlung von Hämorrhoiden mit Hilfe des Scharbockkrautes durch eine Stimulation der Blutzirkulation erklärt.




Die Form der Wurzelknollen diente den Heilkundigen des Mittelalters als Hinweis darauf, diese als Heilmittel bei Hämorrhoiden und Feigwarzen einsetzen zu können. Foto: M. Neitzke


Am bekanntesten hierzulande ist, wie bereits erwähnt, die Behandlung von Vitamin- Mangelzuständen, aufgrund seines hohen Vitamin C-Gehaltes und des frühen Blühzeitpunktes. Mit einem durchschnittlichen Vitamin C-Gehalt von 131 mg/100 g liegt er mehr als doppelt so hoch wie der von Zitronen oder Apfelsinen mit durchschnittlich 50 mg/100 g. Andere Wildkräuter weisen zwar höhere Vitamin C-Gehalte auf (Giersch (Aegopodium podagraria): 142 mg/100 g; Bärlauch (Allium ursinum) (150 mg/100g), Wiesenkerbel (Anthriscus sylvestris): 178 mg/100 g), Gundermann (Glechoma hederacea): 230 mg/100 g, Weiße Taubnessel (Lamium album): 179 mg/100 g, Spitzwegerich (Plantago lanceolata): 169 mg/100 g, Große Brennnessel (Urtica dioica), ihre Blätter erscheinen aber später als die des Scharbockskrautes.[7, 24]


In Italien wurde das Scharbockskraut auch in der traditionellen Tierheilkunde zur Behandlung von Hautproblemen und Wunden bei Rindern eingesetzt.[39]


Eine Aufklärung der chemischen Inhaltsstoffe und moderne Wirkungstests lassen viele der Anwendungen der traditionellen Medizin als plausibel erscheinen. Wissenschaftlich nachgewiesen wurden bisher eine antimikrobielle[14] und eine antioxidative Wirkung.[14, 16, 20] Die antimikrobielle Wirkung wurde gegen Bakterien wie Staphylococcus aureus, Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Salmonella typhi, Bacillus megaterium und den Hefepilz Candida albicans gezeigt. Staphylococcus aureus kann bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem Wundinfektionen hervorrufen, Escherichia coli kommt im Darm von Säugetieren und Vögeln vor, Klebsiella pneumoniae ist ebenfalls ein Darmbewohner und kann bei geschwächten Patienten eine Lungenentzündung oder Harnwegsinfektionen hervorrufen. Bei Salmonella typhi handelt es sich um den Erreger des Typhus, und bei Candida albicans um einen Hefepilz, der Hauterkrankungen verursachen kann. Darüber hinaus konnte für Extrakte des Scharbockkrauts eine cytotoxische Wirkung nachgewiesen werden.[6]


Die oberirdischen Pflanzenteile des Scharbockskrautes sind reich an Polyphenolen, u. a. Flavonoiden, Flavonolen und Phenolcarbonsäuren..[10, 16, 20, 28, 29] Der Gehalt an Flavonoiden ist in Blättern geringer als in Blüten. Die Polyphenolgehalte sind mitverantwortlich für die entzündungshemmenden und antioxidativen Eigenschaften sowie die anderen biologischen Aktivitäten des Scharbockkrautextrakts. Auch die in allen Pflanzenteilen nachgewiesenen Saponine dürften wesentlich zu den beobachten Wirkungen der Pflanzenextrakte beitragen. Saponine besitzen entzündungshemmende, schleimstofflösend und antimikrobielle Eigenschaften. 


Alle Pflanzenteile enthalten Protoanemonin mit den höchsten Gehalten in Stängeln (68 %) und Blüten (25 %).[2, 3] In den Blättern steigt der Gehalt erst mit der Blüte an. Die Blätter sollten zum Verzehr also vor der Blüte gesammelt werden.[2] Das Protoanemonin ist auch für den bitteren Geschmack verantwortlich und kann zu Haut- und Schleimhautreizungen sowie einer Schädigung des Nerven- und Verdauungssystems führen.[2, 23] 

Botanischer Exkurs – von Honigblättern, Wurzelknollen und Getreideregen


Das Scharbockkraut ist eine niedrigwüchsige Pflanze, die je nach Wuchsbedingungen nur 5-20 cm hoch wird. Der Spross wächst zunächst kriechend oder liegend dicht über der Bodenoberfläche, um sich dann allmählich aufzurichten. Diese Wuchsform wird als „niederliegend bis aufsteigend“ charakterisiert. An den Knoten, so werden die oft etwas angeschwollenen Ansatzstellen der Blätter am Stängel bezeichnet, können sich Wurzeln bilden.[15, 22, 23] 




Das Scharbockskraut wächst kriechend oder liegend dicht über der Bodenoberfläche. Foto: M. Neitzke


Das Scharbockkraut gehört zu den Frühlingsgeophyten. Bei Geophyten handelt sich um Pflanzen, die mit unterirdischen Überdauerungsorganen wie Knollen, Zwiebeln oder Rhizomen die ungünstigen Zeiten im Jahr, in unseren Breiten in der Regel der Winter, überdauern. Bei dem Scharbockskraut handelt es sich um einen sog. Knollengeophyten, da die Speicherung der Reservestoffe in Knollen stattfindet. Die Wurzelknollen des Scharbockskrauts, die zwischen den Wurzelfasen sitzen, haben eine keulen- bis walzenförmige Form und sind etwa 1-2 cm lang. Ihre Farbe und Konsistenz ähneln denen von Kartoffeln. Sie werden jährlich neu gebildet und enthalten vor allem Stärke (13,5 %), Zucker (10 %) und Saponine.[2, 5]




Zwischen den Wurzelfasern sitzen bei dem Scharbockkraut die flaschenförmigen Wurzelknollen, die der Nährstoffspeicherung dienen. Foto: M. Neitzke


Die Frühlingsgeophyten können nur ein enges Zeitfenster nutzen, um ihre volle Entwicklung von der Bildung der Blätter, Blüten, Früchte und im Falle des Scharbockkrauts auch von Brutknollen abzuschließen. Außerdem müssen sie eine genügende Menge an Nährstoffen in ihren Speicherorganen einlagern, um im nächsten Frühjahr wieder erfolgreich zu starten. Das Zeitfenster öffnet sich, wenn die Sonne lange und stark genug scheint, um den Boden so weit zu erwärmen, dass die Geophyten mit Hilfe der von ihnen gespeicherten Reservestoffen emporschießen können. Das Zeitfenster schließt sich, wenn die Konkurrenz um Licht, Wasser und Nährstoffe andere Pflanzen zu groß wird. Dies ist zum Beispiel im Wald unter dem Blätterdach der Bäume oder in Säumen und Wiesen unter dem Druck der höher wüchsigen Stauden der Fall. So rasch wie sie aufgetaucht sind, sind sie auch wieder verschwunden. Diese Beschränkung des aktiven Lebens auf die kurze Phase des Frühlings kann beim Frühlingsscharbockkraut eindrücklich beobachtet werden. Sind im März scheinbar über Nacht die dichten, dunkelgrünen Bestände mit den leuchtend gelben Blüten in unserer Landschaft aufgetaucht, beginnt das Scharbockraut im bereits im Mai/Juni zu welken und sich gelb zu verfärben. Die Assimilate werden aus den Blättern und Stängeln in die Speicherorgane, also die Knollen verlagert. Die oberirdischen Pflanzenteile sterben ab. Die Pflanze „zieht ein“. Oft ist Anfang Juni von den Pflanzen schon nichts mehr zu sehen.

Das speckig glänzende Grün der im Frühjahr erscheinen Blätter (links) verschwindet nach etwa 3 Monaten. Die Blätter werden gelb und ziehen ein (rechts). Oft ist Anfang Juni nichts mehr von den Pflanzen zu sehen. Fotos: M. Neitzke

Die ungeteilten, rundlich-herzförmigen, etwas fleischigen, stark glänzenden, dunkel grünen, kahlen Blätter sind lang gestielt. Der Rand der Blätter Rand ist glatt oder entfernt stumpf gezähnt.[15, 22,23]

Die rundlich - herzförmigen, stark glänzenden Blätter des Scharbockskrauts sind lang gestielt. Fotos: M. Neitzke


Die ungeteilten, rundlich-herzförmigen, etwas fleischigen, stark glänzenden, dunkel grünen, kahlen Blätter sind lang gestielt. Der Rand der Blätter Rand ist glatt oder entfernt stumpf gezähnt.[15, 22,23]


Die gelbe, 2-3 cm breite Blüte besteht aus 8-12 goldgelben, sternförmig angeordneten, schmalen, Blättern. Bei deren korrekten Bezeichnung gehen allerdings die Meinungen der Gelehrten auseinander. An der Basis der Blätter befindet sich nämlich in einem Grübchen, der sog. Nektargrube, das von einem Schüppchen, der sog. Nektarschuppe überdeckt ist, der Nektar.[17, 31] Bei den vermeintlichen Kronblättern der Blüte handelt es sich also um sog. Honig- oder Nektarblätter. Die Ausbildung von Honig- oder Nektarblättern ist typisch für die Familie der Hahnenfußgewächse, die bei den verschiedenen Gattungen dieser Familie in einer großen Formenvielfalt ausgebildet sind. Beim Scharbockskraut haben die Nektarblätter, wie auch bei allen Hahnenfußarten zu denen es eine Zeit lang in der botanischen Systematik gestellt wurde, das Aussehen von Blütenkronblättern. Man spricht daher bei dem Scharbockkraut und den Hahnenfußarten bei den vermeintlichen Kronblättern von „kronblattartigen Nektarblättern“. Sie stehen ganz im Dienst der Anlockung von potentiellen Bestäubern.





Bei den sternförmig angeordneten, goldgelben, vermeintlichen Kronblättern des Frühlingsscharbockkrauts handelt es sich um Nektarblätter. Im Zentrum der Blüte befinden sich mehrere Fruchtknoten, die von einem Kranz aus zahlreichen Staubblättern umgeben sind. Foto: M. Neitzke 






An der Basis der Nektarblätter befindet sich unter der Nektarschuppe verborgen die Nektargrube, die den Nektar enthält. Für langrüsselige Insekten, wie den Kleinen Kohlweißling ist es ein leichtes den unter der Schuppe verborgenen Nektar zu gelangen. Fotos: M. Neitzke, Zeichnung: J. Sturms (1901)


Der Lackglanz der Blütenblätter, der den Pflanzen mancherorts den wenig schmeichelhaften Namen „Schmalzkraut“ eingetragen hat, beruht auf der Tatsache, daß die Oberfläche der Epidermis nicht nur völlig glatt ist, sondern auch einen öligen gelben Farbstoff enthält.[17] Unter der Epidermis (äußerste Zellschicht), befindet sich eine Zellschicht, die dicht mit Stärkekörnern vollgestopft ist und als Reflektor für das einfallende Licht fungiert. Diese Reflexionsschicht wird als Tapetum bezeichnet. Die auf das Blütenblatt auftreffenden Lichtstrahlen gehen durch die Epidermis hindurch und werden an dem Tapetum reflektiert. Die reflektierten Strahlen müssen vor ihrem Austritt erneut durch die gelbe Epidermis hindurch. So kommt eine hohe Leuchtwirkung bei hoher Farbsättigung zustande.[17] An der Basis der Blätter fehlt diese Reflexionsschicht, sie glänzt deswegen deutlich weniger. Sie dient daher als Flecksaftmal zur Anlockung der Insekten.[5, 17]





Der Basis der Nektarblätter fehlt die Reflexionsschicht aus stärkeführenden Zellen. Sie glänzt daher nicht und dient als Flecksaftmal. Foto: M. Neitzke


Betrachtet man eine Scharbockskrautblüte von der Seite, so bemerkt man unterhalb der auffälligen Nektarblätter 3-5 kelchblattartige, kleinere Blättchen, bei denen es sich um die eigentlichen Blütenhüllblätter (Perigonblätter) handelt.[5] Die Blüte des Scharbockskrautes besteht nach Ansicht einiger Autoren also aus kronblattartigen Nektarblättern und kelchblattartigen Blütenhüllblättern.[5] Andere Autoren fassen allerdings die Hahnenfußblüte als in Kelch und Krone gegliedert auf, wobei dann die Kronblätter durch das Tragen der Nektardrüsen gekennzeichnet sind.[28] 





In der Aufsicht auf die Blüte zeigen sich die für die Hahngenfußgewächse typischen zahlreichen Staubblätter und oberständigen freien Fruchtknoten.[15] Foto: M. Neitzke


Das Scharbockskraut vermehrt sich nicht nur generativ durch Samen, sondern auch vegetativ durch Brutknöllchen. Bei der in Mitteleuropa verbreiteten Unterart Ficaria verna ssp. bulbifera Lambinon bilden sich nach der Blütezeit in den Achseln der Laubblätter kleine, stärkereiche Knollen, sog. Brutknospen, Brutknöllchen oder Bulbillen.[5, 23, 25]  Es handelt sich um knollig verdickte Seitenknospen, die, wenn sie später zu Boden fallen, zu neuen Pflanzen auswachsen.[4, 5]




Das Scharbockskraut bildet in den Achseln seiner Laubblätter fleischige Brutknospen, die abfallen und sich zu neuen Pflanzen entwickeln. Fotos: M. Neitzke


Abgefallene Brutknöllchen, nach heftigen, frühsommerlichen Regengüssen vom Regenwasser zu größeren Ansammlungen zusammengeschwemmt, führten zu der Fabel vom „Getreideregen“ und dem Namen „Himmelsgerste“ für die Brutknöllchen, denn man glaubte die getreidekornähnlichen Gebilde seien vom Himmel gefallen. Berichtet wird neben anderen Ereignissen von so einem Getreideregen aus einer Juninacht im Jahr 1571. Zuweilen wird hinzugefügt, dass die Leute diese Körner gemahlen und zu Brot verbacken haben. Es soll dem Vernehmen nach etwas bitter geschmeckt haben.[1, 25]



Blütenbesucher des Scharbockskrauts


Für Insekten ist das bereits im März blühende Scharbockskraut eine wichtige Nektar- und Pollenquelle. Früh im Jahr ist das Angebot an Blüten für die aus dem Winterschlaf erwachenden Insekten gering. Das Spektrum der blütenbesuchenden Insekten ist sehr groß. Es reicht von honigsaugenden Schmetterlingen, über pollensammelnde und nektarfressende Bienen bis zu pollenfressenden Fliegen und Käfern. Der Besuch von über 30 verschiedenen Insektenarten ist dokumentiert. Die leichte Zugänglichkeit des Nektars und Pollens erlaubt Insekten mit sehr unterschiedlichen Rüssellängen von diesem Angebot zu profitieren. Am leichtesten zu erreichen ist der Nektar für die langrüsseligen Schmetterlinge und den Hummelschweber (Bombylius major) mit seinem über 10 mm langen Rüssel.

Der Nektar ist für langrüsselige Insekten, wie Schmetterlinge (Kleiner Kohlweißling (Pieris rapae): Rüssellänge 13-18 mm), links) und den Großen Wollschweber (Bombylius major) problemlos zu erreichen. Fotos: M. Neitzke


Während einige Insekten, wie die Schwebfliegen den Pollen an Ort und Stelle verzehren, sammeln andere Insekten wie die Honigbienen und Wildbienen den Pollen für ihre Brut.

Die Winterschwebfliege (Episyrphus balteatus), die Matte Schwarzkopfschwebfliege (Melanostoma scalare), die Glänzende Schwarzkopfschwebfliege (Melanostoma mellinum)  und die Gemeine Sumpfschwebfliege (Helophilus pendulus) fressen den Pollen gleich an Ort und Stelle. Fotos: M. Neitzke

Die Honigbiene sammelt den Pollen für ihre Brut, wie an den kräftig gelben Pollenhöschen der Blüten besuchenden Bienen deutlich zu sehen ist. Auch der Nektar ist für die Honigbiene mit ihrem durchschnittlich 6,5 mm langen Rüssel gut zu erreichen.

Die Honigbiene nutzt die Blüten des Scharbockkrauts als Pollen- und Nektarquelle. Den Pollen hat sie in große, gelben Höschen gesammelt. Für den Nektar muss man schon mal tiefer in die Blüte hinabtauchen. Fotos: M. Neitzke 


Einige Wildbienen, wie die Graue Sandbiene (Andrena cineraria) und die Zweifarbige Sandbiene (Andrena bicolor) lassen sich mitten auf den Blüten nieder. Dabei berühren sie mit der Bauchseite und den Beinen die Staubblätter und Narben. Der mitgebrachte Pollen kann so auf den Narben abgelagert werden. Mit ihrem Körper rotieren sie über den Staubblättern in der Blüte und streifen so den Pollen in ihre Körperbehaarung ab.





Die Aschgraue Sandbiene bei der Pollenernte. Sie rotiert förmlich über den Staubblättern und streift dabei den Pollen in ihrer pelzigen Behaarung ab. Fotos: M. Neitzke





Die zweifarbige Sandbiene (Andrena bicolor) bei der Pollenernte. Auch sie kämmt den Pollen beim raschen Laufen über den Staubblättern aus den Staubbeuteln aus. Fotos: M. Neitzke



Die Wespenbienen, benannt nach ihrem wespenartigen Aussehen, wiederum besitzen keinerlei Vorrichtungen zum Transport von Pollen. Sie besuchen die Blüten des Scharbockskrauts nur um sich selber zu versorgen. Wespenbienen sind Brutparasiten, die ihre Eier in den Brutzellen anderer Bienenarten ablegen. Sie werden daher auch als „Kuckucksbienen“ bezeichne.[33]



Eine Wespenbiene beim Besuch einer Blüte des Scharbockskrauts. Um mit ihrem Rüssel an den Nektar, der in der Nektargrube an der Basis der Nektarblätter verborgen ist, zu gelangen, muss sie tief zwischen den Staubblättern „hindurchtauchen“. Dabei pudert sie sich reichlich mit Pollen ein. Fotos: M. Neitzke


Die für unser Gebiet typische Unterart Ficaria verna ssp. bulbifer vermehrt sich fast ausschließlich vegetativ. Die diploide südwesteuropäische Stammform Ficaria verna ssp. nudicaulis (A. Kerner) Rouy & Fouc. bildet in der Regel keine Brutknöllchen aus. Sie vermehrt sich über Samen. Hier spielt die Bestäubung durch Insekten für die Bildung von Früchten und die Aufrechterhaltung der genetischen Diversität eine wichtige Rolle.





Die Insekten hat der österreichischen Dichter Waggerl wohl übersehen als er in seinem „Heiteren Herbarium“ folgendes kleines Gedicht notierte: 


Gott schuf das Scharbockskraut. Indessen,

den Bock dazu hat er vergessen,

weshalb das Kraut zwar grünt und sprießt,

jedoch vergebens,

weil niemand kommt, der es genießt.

(Ein Inbegriff verfehlten Lebens).



Literatur:


  1. Arens, D. (1991): Sechzig einheimische Wildpflanzen in lebendigen Porträts. DuMont Buchverlag, Köln, 174 S.
  2. Bäumler, S. (2012): Heilpflanzenpraxis heute, Band 1 Arzneipflanzenporträts. 2. Aufl. Urban & Fischer, München, 701 S.
  3. Bonora, A., Botta, B. Menziani-Andreoli, E. & A. Brun (1988): Organ specific distribution and accumulation of protoanemonin in Ranunculus ficaria L. Biochem. Physiol. Pflanz., 183: 443-447.
  4. Danert, S., Hammer, K., Hanelt, P., Kruse, J., Helm, J., Lehmann, O. & J. Schultze-Motel (1993): Urania-Pflanzenreich – Blütenpflanzen 1., Urania- Verlag, Leipzig, Jena, Berlin, 590 S.
  5. Düll, R. & H. Kutzelnigg (1994): Botanisch-ökologisches Exkursionstaschenbuch. 5. Aufl., Quelle & Meyer, Heidelberg, Wiesbaden, 590 S.
  6. Erdoğan, T. (2008): Brine shrimp lethality bioassay on some Ranunculus species. J. Fac. Pharm. Ankara, 37: 171-177.
  7. Franke, W. (1987): Wildgemüse. Hrsg.: Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung. Landwirtschaft und Forsten (AIID) e. V., Bonn.
  8. Goo, Y. K. (2022): Therapeutic potential of Ranunculus species (Ranunculaceae): a literature review on traditional medicinal herbs. Plants 222, 11,1599. https://doi.org/10.3390/plants11121599
  9. Gudej, J. & M. Tomczyk (1999): Polyphenolic compounds from flowers of Ficaria verna Huds. Acta Pol. Pharm.- Drug Res., 56: 475-476.
  10. Hădărugă, N. G. (2012): Ficaria verna Huds. extracts and their β-cyclodextrin supramolecular systems. Chem. Cen. J. 6: 16, http://journal.chemistrycentral.com/content/6/1/16
  11. https://www.haut.de
  12. http://Hautschutzengel.de/search?q=Ranunculus+ficaria
  13. http://incidecoder.com/ingredients/ranunculus-ficaria-extracts
  14. İnci, Ş., Eren, A., Kirbağ, S. & A. I. Özkan (2021): Antimicrobial and antioxidant effect of Ficaria verna Huds. YYU J AGR SCI 31-278-281.
  15. Jäger, E.J. (Hrsg.) (2011): Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband. 20. Aufl., Springer Spektrum, Berlin Heidelberg.
  16. Karpiuk, V. & R. Konechna (2021): Total phenolic and flavonoid content, antioxidant activity of Ficaria verna. Scientific Journal of Polonia University (PNAP), 46: 229-234. DOI: https://doi.org/10.23856
  17. Kugler, H. (1970): Blütenökologie, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, 345 S.
  18. Lautenschläger, H. (2016): Saponine in der Hautpflege. Beauty-Forum 2016 (1): 12-16.
  19. Müller, H. (1873): Die Befruchtung der Blumen durch Insekten. Leipzig.
  20. Neag, T., Toma, C. C., Olah, N. & A. Ardelean (2017): Polyphenol profile and antioxidant activity of some Romanian Ranunculus species. Studid Ubb. Chema, LXII(3): 75-88.
  21. Neag, T., Olah, N. K., Hanganu, D., Benedic, D., Pripon, F. F., Ardelean, A. & C. C. Toma (2018): The anemon content of four different Ranunculus species. Pak. J. Pharm. Sci., 31: 20207-2032.
  22. Schauer, T., Caspari, C. & S. Caspari (2016): Der illustrierte BLV Pflanzenführer für unterwegs. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München, 494 S.
  23. Schönfelder, I. & P. Schönfelder (2010): Der Kosmos Heilpflanzenführer. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart, 446 S.
  24. Spuci, S W., Fachmann, W. & H. Kraut (2000): Die Zusammensetzung der Lebensmittel. 6. Aufl., medpharm Scientific Publishers, Stuttgart.
  25. Steinbach, G. (1981): Die Blumen unserer Heimat. Lizenzausgabe für die Mitglieder der Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, Wien, Zürich, 208S.
  26. Sturms, J. (1901): Flora von Deutschland in Abbildungen nach der Natur. 5. Band: Mittelsamige und Haufenfrüchtige, Centrospermae und Polycarpicae. (Hrsg.): Lutz, K. G., Stuttgart, Verlag von K. G. Lutz, 2. Aufl. 
  27. Tita, I., Mongosanu, G. D. & M. G. Tita (2009): Ethnobotanical inventory of medicinal plants from the south-west of Romania. Farmacia, 57: 141-157.
  28. Tomczyk, M., Gudej, J. & M. Sochachi (2002): Flavonoids from Ficaria verna Huds. Z. Naturforsch. C, 58: 440-444
  29. Tomczyk, M. & J. Gudej (2003): Quantitative analysis of flavonoids in the flowers and leaves of Ficaria verna Huds. Z. Naturforsch. C, 58: 762-666.
  30. Viegi, L., Pieroni, A., Guarrera, P. M. & R. Vangelisti (2003): A review of plants used in folk veterenary medicine in Italy as basis for a databank. J. Ethnopharmacol., 88: 221-244.
  31. Waggerl, K. H. (1950): Heiteres Herbarium. Otto Müller Verlag, Salzburg, 55 S.
  32. Weberling, F. (1981): Morphologie der Blüten und Blütenstände. Verlag, Eugen Ulmer, Stuttgart, 391 S.
  33. Westrich, P. (2018): Die Wildbienen Deutschlands. Eugen Ulmer, Stuttgart, 821 S.
Share by: