Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium)

Der Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium) – eine Pflanze mit starken Namenspartnern


  • Bedeutung des Wiesen-Bärenklaus für Biodiversität und menschliches Wohlbefinden
  • Die Bedeutung des Wiesen-Bärenklaus in der Kosmetik und Körperpflege
  • Die Bedeutung des Wiesen-Bärenklaus in der Heilkunde
  • Botanischer Exkurs – Vorteile eines Doldenblütlers
  • Der Wiesen-Bärenklau - Versammlungsplatz für zahlreiche Insekten

Bedeutung des Wiesen-Bärenklaus für Biodiversität und menschliches Wohlbefinden

Der Wiesen-Bärenklau gehört aufgrund seiner beachtlichen Größe von 80 – 150 cm, dem kräftigen Stängel sowie den großen Blättern und dem ausladenden Blütenstand mit den zahlreichen weißen Blüten zu den kaum zu übersehenden Pflanzen an unseren Wiesen-, Weg- und Grabenrändern. 


Der Wiesen-Bärenklau (Bildmitte) wächst häufig entlang von Weg- und Grabenrändern, an frischen Waldrändern, in Auwäldern sowie in Gebüschsäumen. Foto: M. Neitzke

Der Wiesen-Bärenklau ist heute eine zu Unrecht in Vergessenheit geratene Futter-, Nahrungs- und Heilpflanze. Bis ins 16. Jahrhundert spielte er als Bestandteil traditioneller Gerichte eine sehr bedeutende Rolle. Als Hauptbestandteil des osteuropäischen Nationalgerichts, des Borschtsch oder Bortsch, ist er sogar für seinen Namen verantwortlich. Die milchsauer vergorenen Stängel und Blätter des Bärenklaus waren nämlich die Hauptzutaten dieses Eintopfes, bevor der Bärenklau im 15. und 16. Jahrh. durch die Rote Beete verdrängt wurde. Der slawische Name für Bärenklau lautete „Barszcz“. Der Ursprung des Namens des ukrainischen Nationalgerichts Borschtsch wird daher in dem slawischen Namen für den Bärenklau gesehen.[12] In den vergangenen Jahren wurde der Wiesen-Bärenklau nicht nur für die Wildkräuterküche wiederentdeckt [3, 4], sondern Vertreter der innovativen Ernährung begannen ebenfalls nach neuen Methoden für eine kulinarische Verwertung zu suchen.[12] Zu dem wiedererwachenden Interesse an dem Wiesen-Bärenklau als Nahrungspflanze dürfte auch sein hoher Protein- und Vitamin-C-Gehalt nicht unwesentlich mit beigetragen haben. Mit 291 mg Vitamin C /100 g enthält der Wiesen-Bärenklau fast 6 x mehr Vitamin C als eine Zitrone mit durchschnittlich 50 mg /100 g.[3] Doch beim Sammeln der Pflanze ist Vorsicht geboten: Der frische Pflanzensaft enthält chemische Verbindungen, die sog. Furanocumarine, die bei sensiblen Personen die UV-Empfindlichkeit der Haut steigern und Hautreizungen verursachen können. So können nach einer Berührung der Pflanze unangenehme Rötungen und Schwellungen der Haut, die einer Verbrennung ähneln, auftreten (Wiesendermatitis). Dies gilt in noch wesentlich stärkerem Maße für die deutlich größere, aus dem Kaukasus bei uns eingeschleppte Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum), die auf keinen Fall gesammelt werden sollte.


Der wissenschaftliche Name der Gattung „Heracleum“ bezieht sich auf den für seine Stärke bekannten griechischen Sagenhelden Herkules bzw. Herakles. Dieser soll angeblich die Heilwirkung der Pflanze erkannt haben.  Die deutsche Bezeichnung Bärenklau wird vielfach auf die Gestalt seiner rauhaarigen Blätter zurückgeführt. Anders als der deutsche Name vermuten lässt, ist jedoch auf den ersten Blick keine Ähnlichkeit zwischen der Tatze eines Bären und der Form der Blätter des Wiesen-Bärenklaus zu erkennen. Vermutlich war es die beeindruckende Größe der bis zu 50 cm lang werdenden Blätter, die zu der Namensgebung geführt hat. Möglicherweise ist aber auch die Suche nach einer Ähnlichkeit zwischen Form und Größe der Blätter des Bärenklaus und der Tatze eines Bären zu vordergründig und der Name drückt die Wertschätzung für den Bärenklau als Heilpflanze aus. In den Ländern, in denen Bären vorkommen, wurden sie als wichtige Krafttiere der Schamanen und Heiler verehrt.


Anders als der deutsche Name vermuten lässt, ist keine Ähnlichkeit zwischen der Tatze eines Bären und der Form der Blätter des Wiesen-Bärenklaus (oben rechts) zu erkennen. Ein Vergleich der Hintertatze eines Malaienbären (Helarctos malayanus) (links und rechts unten) mit dem gefiederten Blatt des Bärenklaus zeigt dies deutlich (rechts oben). Vermutlich war es die beeindruckende Größe der Blätter, die zu der Namensgebung geführt hat. Fotos: M. Neitzke

In der Schulmedizin findet die Pflanze keine Verwendung. In der Traditionellen Medizin wurde und wird der Bärenklau z.T. auch heute noch bei einer breiten Palette von Beschwerden eingesetzt. Diese umfassten vor allem Verdauungsbeschwerden, wie etwa Durchfall aber auch Erkrankungen der Atemwege beispielsweise Husten und Heiserkeit sowie Bluthochdruck und gynäkologische Beschwerden. Äußerlich nutzte man sie bei der Behandlung von Geschwüren.[7, 12, 15]

In der Kosmetik- und Körperpflegeindustrie werden Extrakte des Wiesen-Bärenklaus wegen ihrer hautpflegenden Eigenschaften geschätzt.[9]

Aber nicht nur die Bereiche Kosmetik und Körperpflege sowie Pharmazie, sondern auch die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelindustrie werden als potentielle Einsatzgebiete für Produkte auf der Basis des Wiesen-Bärenklaus in Betracht gezogen. So könnte der Wiesen-Bärenklau bei der Entwicklung biologischer Mittel zur Steigerung der Lagerfähigkeit von Obst und Gemüse nach der Ernte eine Rolle spielen, da Extrakte des Wiesen-Bärenklaus das Wachstums von Schimmelpilzen (Pinselschimmel (Penicillium hirsutum), Schwarzer Gießkannenschimmel (Aspergillus niger)) hemmen.  Denkbar wäre auch ein Beitrag zur Entwicklung von umweltfreundlichen und sicheren Bioherbiziden.[7]  


Der Wiesen-Bärenklau gehört zur Familie der Doldenblütengewächse (Apiaceae). Sein Blütenbau und der Aufbau des Blütenstandes üben eine enorme Anziehungskraft auf Insekten aus. Die Blüten des Bärenklaus bieten mit ihrem Nektar- und Pollenangebot die Nahrungsgrundlage für eine große Vielfalt an Insektenarten. Über 106 verschiedene Insektenarten wurden auf den Blütenständen des Wiesen-Bärenklaus beobachtet. Zahlreiche der Blütenbesucher sind durch ein komplexes Beziehungsgeflecht miteinander verbunden, dessen Bedeutung über die einzelne Pflanze und Pflanzengemeinschaft, deren Bestandteil der Wiesen-Bärenklau ist, hinausgeht.


Die kleinen weißen Blüten des Wiesen-Bärenklaus sind in großen, an Schirme erinnernde Blütenstände, den sog. Doppeldolden zusammengefasst. Sie üben daher eine große Anziehungskraft auf Insekten aus und werden zur Nahrungsaufnahme und Paarung von einer Vielzahl verschiedener Insektenarten aufgesucht. Foto: M. Neitzke

Über 106 verschiedene Insektenarten aus den verschiedenen Insektenordnungen besuchen die Blüten des Wiesen-Bärenklaus. Fotos: M. Neitzke

Die Blütenstände sind nicht nur Buffet, sondern darüber hinaus auch Partnerbörse und Schlachtfeld. So sind nicht alle Insektenarten, die die Blüten des Bärenklaus aufsuchen, während ihres gesamten Lebenszyklusses reine Vegetarier. Während sich die erwachsenen Tiere einiger Insektenarten nur von Pollen und Nektar ernähren, müssen sie ihre Brut mit eiweißreicher Kost, also anderen Insekten füttern. Diese jagen sie, wie z.B. die Hornisse und Gemeine Wespe auf den Blütendolden des Wiesen-Bärenklaus, wo ihnen ihre Beute wie auf einem Silbertablett präsentiert wird und die Jägerin nicht selten zur Gejagten wird.


Ausschnitt aus dem Nahrungsnetz wie es auf den Blütenständen des Wiesen-Bärenklaus anzutreffen ist: Eine Gemeine Wespe, die sich als erwachsenes Tier von dem Pollen und Nektar des Wiesen-Bärenklaus ernährt, hat als Eiweißquelle für ihre Brut einen Braunen Weichkäfer (Rhagonycha fulva) erbeutet (links). Eine Hornisse hat eine Gemeine Wespe als Nahrung für ihren Nachwuchs erjagt. Fotos: M. Neitzke

Schlupfwespen und Raupenfliegen finden die Wirte für ihre Brut ebenfalls auf den Dolden des Wiesenbärenklaus. Daneben bieten die großen schirmförmigen Blütenstände ausreichend Platz für eine ausgiebige Paarungstätigkeit.


Einige Insektenarten sind auf den Blütendolden des Wiesen-Bärenklaus nicht nur auf der Suche nach Nahrung in Form von Nektar und Pollen, sondern auch auf der Suche nach einem Partner. Für die Bergblattwespe (Macrophya montana) (links), eine Grabwespenart und den Braunen Weichkäfer (Rhagonycha fulva) (rechts) war der Besuch der „Partnerbörse“ Wiesen-Bärenklau erfolgreich. Fotos: M. Neitzke

Aber auch der Wiesen-Bärenklau profitiert von dem Insektenbesuch, da diese durch ihre Bestäubungsarbeit die Fremdbestäubung und damit die genetische Vielfalt der Art gewährleisten.

Die Blüten des Wiesen-Bärenklaus werden von Insekten bestäubt, deren Tätigkeit ist die Voraussetzung für genetische und chemische Vielfalt der Pflanzen. Fotos: M. Neitzke

Die Bedeutung des Bärenklaus in der Kosmetik und Körperpflege



In der Kosmetik- und Körperpflegeindustrie werden Extrakte des Wiesen-Bärenklaus wegen ihrer hautpflegenden Eigenschaften geschätzt.[9] Allerdings werden sie noch eher selten in kosmetischen Produkten verwendet, wie die Analyseergebnisse einschlägiger Datenbanken zeigen.

Die Pflanze ist reich n ätherischen Ölen mit antibakteriellen und antioxidativen Eigenschaften.[6, 13, 15, 18] Die antioxidativen und antibakteriellen Eigenschaften der Blüten und Blätter werden auch auf ihre Gehalte an Polyphenolen zurückgeführt.[2] Die Pflanze stellt somit eine wertvolle Quelle für bioaktiven Verbindungen dar.

Wenig beachtet wurde bisher die chemische Zusammensetzung der Samen des Wiesen-Bärenklaus. Die Samen sind reich an für die Kosmetikindustrie wertvollen ungesättigten Fettsäuren (90,2 %) und Phytosterolen.[19] Von besonderem Interesse ist die Petroselinsäure, die fast 50 % der ungesättigten Fettsäuren ausmacht. [19] Petroselinsäure ist für seine hautberuhigende Eigenschaften bekannt und fungiert in kosmetischen Formulierungen als ein Anti-Aging Mittel. Ebenfalls bemerkenswert sind die hohen Gehalte der in der Hautpflege wichtigen Linolsäure. 

Gehalte der Samen des Wiesen-Bärenklaus an Fettsäuren und Phytosterolen[19]

Für eine Unterart des Wiesen-Bärenklaus (Heracleum sphondylium subsp. ternatum) konnte ebenfalls eine für die Kosmetikindustrie interessante Eigenschaft nachgewiesen werden, nämlich die Fähigkeit bestimmte Enzyme in ihrer Aktivität zu hemmen. Zu ihnen gehört auch das Enzym Tyrosinase, das für eine Hyperpigmentierung der Haut mit verantwortlich ist.[20] Aufgrund der engen Verwandtschaft der beiden Arten wären ähnliche Eigenschaften für den Gemeinen Wiesen-Bärenklau (Heracelum sphondylium sphondylium) denkbar und Untersuchungen in dieser Richtung durchaus lohnenswert. Die Autoren der Studie führen diese Eigenschaft des Bärenklaus auf ein Zusammenwirken (synergistischen Effekt) seiner phenolischen Inhaltsstoffe zurück.[20]

Die Bedeutung des Bärenklaus in der Heilkunde



Der Wiesen-Bärenklau wird in der Schulmedizin nicht eingesetzt.[15] In der Traditionellen Medizin wurde sie dagegen bei einer Vielzahl von Beschwerdebildern genutzt. In manchen Ländern kommt sie auch heute noch gelegentlich zur Anwendung. Verwendet wurden sowohl die Wurzel als auch die oberirdischen Pflanzenteile, also Blätter, Blüten, Stängel einschließlich der Früchte. 

Im Vordergrund standen und stehen Erkrankungen des Verdauungsapparates, u.a. Durchfall, Leibschmerzen, und Verdauungsstörungen aber auch der Atemwege, wie Heiserkeit und Husten sowie die Behandlung von Bluthochdruck aufgrund einer gefäßerweiternden Wirkung.[1, 12] Auch gynäkologischen Leiden wurde mit dem Wiesen-Bärenklau begegnet. So dienten die oberirdischen Teile des Wiesen-Bärenklaus der Behandlung von Unfruchtbarkeit sowohl von Männern als auch von Frauen.[7] Lange Zeit galt der Bärenklau auch als Aphrodisiakum, Stärkungs- und Beruhigungsmittel.[12] Die Behandlung von nervösen Leiden, wie Epilepsie gehörte ebenfalls zu den Anwendungsgebieten des Wiesen-Bärenklaus.[7, 12] Äußerlich dient der Wiesen-Bärenklau zur Behandlung von Geschwüren.[15]

In der Homöopathie wird der Wiesen-Bärenklau bei einer Überfunktion der Talgdrüsen eingesetzt.[15]

In der Traditionellen Medizin wird der Wiesen-Bärenklau zur Behandlung einer Vielzahl von Beschwerdebildern eingesetzt. Seine Wirkung wird auf den Gehalt an Polyphenolen und ätherischen Ölen zurückgeführt. Die Furanocumarine können in Kombination mit Sonneneinstrahlung zur Auslösung von phototoxischen Reaktionen der Haut führen.

Leider liegen nur wenige aktuelle Untersuchungen vor, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Plausibilität des Einsatzes des Bärenklaus in der Traditionellen Medizin zu überprüfen. Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigt sich mit der Auslösung der Photodermatitis durch die in der Pflanze enthaltenen Furanocumarine. Nach Kontakt mit dem frischen Saft der Pflanze und gleichzeitiger Sonnenbestrahlung kann es bei empfindlichen Personen zu heftigen, an Verbrennungen erinnernde Hautreaktionen, kommen. Allerdings enthalten nicht alle Unterarten in ihren Blättern die auslösenden Furanocumarinverbindungen. Die Reaktion ist bei weitem nicht so stark wie bei dem deutlich größeren, aus dem Kaukasus bei uns eingeschleppten Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum). 


Eine Ausnahme stellt die Behandlung von Bluthochdruck in der Traditionellen Medizin mit Hilfe von Wiesen-Bärenklau dar. In Tierversuchen konnte ein gefäßentspannender Effekt eines bestimmten Auszugs des Wiesen-Bärenklaus auf die Adern von Ratten festgestellt werden. Dieses Versuchsergebnis lässt die Anwendung des Wiesen-Bärenklaus in der Traditionellen Medizin zur Behandlung von Bluthochdruck als plausibel erscheinen.[16] Ganz andere Optionen für mögliche pharmazeutische Nutzung des Wiesen-Bärenklaus liefern die Untersuchungsergebnisse für eine eng mit dem in Mitteleuropa verbreiteten Gemeinen Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium ssp. sphondylium) verwandten Unterart. Für diese Unterart, die im Mittleren und Nördlichen Apennin sowie in den Gebirgen des Balkans vorkommt und als Heracleum sphondylium ssp. ternatum bezeichnet wird, konnte die Hemmung von Enzymen, die bei der Alzheimer-Erkrankung und bei der Erkrankung mit Typ 2 Diabetes eine Rolle spielen, nachgewiesen werden.[20] Die Autoren führen diese Eigenschaften auf ein Zusammenwirken (synergistischen Effekt) der phenolischen Inhaltsstoffe des Bärenklaus zurück. Neben zahlreichen Flavonoiden wie Rutin, Isoquercitrin, Quercitrin, Quercetin und Kaempferol konnten Phenolcarbonsäuren (p-Cumarsäure, Ferulasäure, Chlorogensäure, Kaffeesäure) nachgewiesen werden. [20]

Botanischer Exkurs – Vorteile eines Doldenblütlers

Der Wiesen-Bärenklau gehört aufgrund seiner Größe von 80 bis 150 cm und dem ausladenden Blütenstand zu den auffälligen Pflanzen an den Wiesen-, Weg und Grabenrändern. Foto: M. Neitzke, Zeichnung: Sturm, J. (1904) (a: Treibspitze, b: Blatt, c-h: Blüten).

Der Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium) gehört zu Familie der Doldenblütler bzw. Doldenblütengewächse (Apiaceae  bzw. Umbelliferae). Aufgrund seiner beachtlichen Größe von 80 – 150 cm, dem kräftigen, kantig gefurchten und dicht rauhaarigen Stängel sowie und den großen Blättern und dem ausladenden Blütenstand mit den zahlreichen weißen Blüten gehört der Wiesen-Bärenklau zu den kaum zu übersehenden Pflanzen an unseren Wiesen-, Weg- und Grabenrändern.[5, 10]


Die weißen Blüten des Bärenklaus sind zu dem für diese Familie typischen Blütenstand einer „Zusammengesetzten Dolde“ oder „Doppeldolde“ vereinigt. Bei einer Dolde handelt es sich um einen Blütenstand, bei dem von einem zentralen Punkt mehrere Stiele, in der Fachsprache „Achsen“ oder „Doldenstrahlen“ ausgehen, an deren Ende jeweils eine Blüte sitzt. Die Längen der Doldenstrahlen sind so aufeinander abgestimmt, dass die einzelnen Blüten in einer Ebene stehen. Die äußeren Doldenstrahlen sind somit länger als die im Zentrum des Blütenstandes stehenden Achsen. Bei einer Doppeldolde sind, wie der Name schon vermuten lässt, die einzelnen Blüten jedoch durch eine kleine Dolde, das sog. Döldchen ersetzt (Dolde in Miniaturformat).[10] Ähnlich den russischen Matroschka-Puppen, bei denen eine kleine Puppe jeweils in einer anderen größeren Puppe verborgen ist, sind bei einer zusammengesetzten Dolde oder Doppeldolde also zwei gleichartig aufgebaute aber unterschiedlich große Blütenstände zu einem großen Blütenstand zusammengefasst. Das vermittels dieses Blütenstandaufbaus alle Blüten mehr oder weniger auf gleicher Höhe stehen, hat gleich mehrere Vorteile. Da die Blüten in einer Ebene liegen, können die Blütenbesucher bequem, ohne hohen Energieaufwand, von einer Blüte zur einer anderen Blüte schreiten und sich an dem reichen Nektar- und Pollenangebot bedienen. Hierbei streifen sie unweigerlich den Pollen aus den reifen Staubbeuteln, um ihn bei anderer Gelegenheit auf den reifen Narben einer anderen Blüte abzustreifen. Die Fremdbestäubung ist gesichert. Wie die hohe Anzahl an Blütenbesuchern - über 100 verschiedene Arten wurden beobachtet - eindrucksvoll belegt, besitzen die Blütenstände des Wiesen-Bärenklaus eine enorm große Attraktivität für Insekten. Durch die Bildung des dichtblütigen Blütenstandes wird die Auffälligkeit und optische Reichweite der Blüten deutlich erhöht. Die Auffälligkeit dieser sog. „Schirmdolde“ wird noch dadurch gesteigert, dass die randständigen Blüten der einzelnen Döldchen größer sind als die weiter in der Mitte stehenden Blüten. Hinzu kommt, dass die nach außen und seitlich gerichteten Kronblätter der Randblüten größer („strahlend“) entwickelt sind als die nach innen gekehrten.[11] Die einzelnen Kronblätter sind in der Mitte unterschiedlich weit ausgeschnitten. Am Grunde der Einkerbung weisen sie ein zurückgeschlagenes Läppchen auf.

Die Blüten des Bärenklaus sind in einem als „Doppeldolde“ bezeichneten Blütenstand vereinigt. Foto: M. Neitzke


Ein Blick von oben auf den Blütenstand des Bärenklaus zeigt, dass die Blüten am Rand der Döldchen deutlich größer sind als die in der Mitte stehenden Blüten. Ebenso auffällig ist die Vergrößerung der nach außen und seitlich gerichteten Kronblätter einer einzelnen randständigen Blüte. Foto: M. Neitzke

Der Blütenstand des Bärenklaus besteht in der Regel aus 7-25 Doldenstrahlen und kann einen Durchmesser von bis zu 20 cm erreichen. Sowohl die Dolde als auch die Döldchen sind an ihrer Basis von Tragblättern umgeben, die jeweils eine Hülle (Incolucrum) oder ein Hüllchen (Involucellum) bilden.[10]


Die Dolde und die Döldchen sind an ihrer Basis von Tragblättern umgeben, die jeweils eine Hülle bzw. Hüllchen bilden. Foto: M. Neitzke

Die Blüten besitzen 5 Staubblätter mit grünlichen Staubbeuteln (Antheren). Nach ihrer Entfaltung strecken sich die Staubblätter nach außen und entlassen den weißen Pollen. Der unterständige Fruchtknoten trägt am oberen Ende unter den Griffeln ein polsterförmig aufgewölbtes Gewebe, das Nektar produziert. Diese nektarproduzierende Drüsengewebe wird entweder nach seiner Funktion als Nektarium oder nach seinem Aussehen als Griffelpolster oder Diskus bezeichnet. Der Nektar wird also frei dargeboten und ist daher für eine Vielzahl von Insekten, auch für solche mit einem kurzen Rüssel zugänglich. Diese freie Zugänglichkeit des Nektars für Insekten mit einer großen Bandbreite hinsichtlich der Rüssellängen ist einer der Gründe für die hohe Artendiversität an Blütenbesuchern des Wiesen-Bärenklaus.


Die Griffel werden von einem Gewebe umgeben, das reichlich Nektar absondert. Dieser wird von verschiedenen Insekten gewonnen. Foto: M. Neitzke


Während der Pollen von den Wildbienen (links) für ihre Brut gesammelt wird, wird er von anderen Arten, wie verschiedenen Fliegen und Käfern direkt an Ort und Stelle verspeist. Foto: M. Neitzke 


Der offen dargebotene Nektar ist sowohl für langrüsselige Insekten wie Schmetterlinge (Kaisermantel (links)) und kurzrüsselige Insekten wie z.B. verschiedenen Schwebfliegenarten (Eristalis) verfügbar. Fotos: M. Neitzke

Um eine Selbstbefruchtung zu vermeiden reifen die Staubblätter vor den Fruchtblättern (vormännlich). Die einzelnen Blüten einer Dolde sind also zunächst männlich. Auf den männlichen Zustand folgt der weibliche Zustand: die Staubblätter werden abgeworfen und die zwei Griffeläste mit ihren kopfigen Narben entwickeln sich aus dem zweiteiligen Diskus heraus.

Befinden sich die Blüten im männlichen Zustand, streifen die auf den Blütenständen herumlaufenden, nektar- und pollenfressenden Insekten den Pollen mit ihren Körpern ab und können ihn dann auf ältere Blüten mit reifen Griffen (weiblicher Zustand) transportieren. Die Fremdbestäubung ist gesichert.


Während die verschiedenen Insektenarten auf der Suche nach Nahrung über die Oberfläche der Döldchen laufen, streifen sie den Pollen mit ihren Körpern ab. Der Gefleckte Schmalbock (links) hat seine Stirn mit dem weißen Pollen eingestäubt. Die Schwebfliegen streifen den Pollen mit ihrer Körperbehaarung ab. Fotos: M. Neitzke


Eine Französische Feldwespe sucht auf den Blüten des Wiesen-Bärenklaus, die sich im weiblichen Zustand befinden, nach Nektar. Die Staubblätter wurden abgeworfen und zwei Griffeläste haben sich aus dem zweiteiligen Griffelposter herausgeschoben. Foto: M. Neitzke

Nach der Befruchtung reifen von August bis September die 7-11 mm langen, ovalen, abgeflachten, am Rand geflügelten Früchte heran. Es handelt sich um die für die Familie der Doldenblütler (Apiaceae) typische Spaltfrucht. 


Fruchtstand des Bärenklaus mit noch unreifen grünen Früchten. Foto: M. Neitzke

Bei der Reife zerfällt die Frucht in 2 einsamige Spaltfrüchte, die zunächst noch an dem 2 schenkeligen Fruchtträger (Karpophor) hängen.


Bei der Reife weichen die beiden Fruchtblätter and ihrer Verwachsungsfläche (Fugenfläche) auseinander. Es entsteht eine Spaltfrucht aus zwei Hälften, von denen jede ein Fruchtblatt repräsentiert. Die Teilfrüchte werden zunächst durch den Fruchtträger (Karpophor) zusammengehalten. Foto: M. Neitzke

Die Verbreitung der geflügelten Früchte erfolgt durch den Wind („Scheibenflieger“).[5]


Besonders auffällig sind die ausladenden, borstig behaarten Blätter mit der großen tütenförmigen Blattscheide (Ochrea) am Stängelgrund. Die Blattscheide (Ochrea) dient als Knospenschutz. Die Blätter sind in der für die Familie der Doldenblütler typischen wechselständigen Blattstellung an dem 5-20 mm dicken, steifborstigen und kantig gefurchten Stängel angeordnet. Die im Umriss rundlich bis eiförmigen Blätter sind fiederteilig oder gefiedert, mit großen breit-eiförmigen bis lanzettlichen, tief gelappten oder grob gezähnten Abschnitten.[5, 10]

An der Stängelbasis der borstig behaarten, gefiederten Blätter befindet sich eine große tütenförmige Blattscheide (Ochrea), die dem Knospenschutz dient. Fotos: M. Neitzke

Der Bärenklau - Versammlungsplatz für zahlreiche Insekten


Nimmt sich ein Beobachter an einem warmen Sommertag die Muße, die Blütenstände des Wiesen-Bärenklaus eine Weile zu betrachten, so wird er Zeuge für die enorme Anziehungskraft die die Blütendolden dieser Pflanze für Insekten haben. Beeindruckend ist nicht nur die bemerkenswerte Artenvielfalt (Biodiversität) sondern auch die hohe Anzahl der Vertreter einer Art (Individuendichte). In verschiedenen Untersuchungen wurden insgesamt über 100 verschiedene Insektenarten als Blütenbesucher des Wiesen-Bärenklaus entdeckt.[8, 14, 21] Die erfassten Insekten unterscheiden sich nicht nur im Aussehen, sondern auch in ihrer Ernährungs- und Lebensweise und dementsprechend auch in ihrer Funktion im Naturhaushalt. Die verschiedenen Insektenarten sind als Bestäuber, Schädlingsbekämpfer, Nährstoffrecycler und Gesundheitspolizei tätig. Die im Durchmesser bis zu 20 cm breite Blütendolde des Wiesenbärenklaus bildet zudem die Bühne für die verschiedenen Akte im Leben der Insekten, - sie ist Buffet, „Dating-Plattform“ und Schlachtfeld.


Die Blütendolden des Wiesen-Bärenklaus ziehen zahlreiche verschiedene Insektenarten an. Foto: M. Neitzke

Die auffälligsten Blütenbesucher sind sicherlich die Schmetterlinge. Obwohl Schmetterlinge, anders als die meisten anderen Blütenbesucher des Bärenklaus, nicht auf eine freie Darbietung des Nektars angewiesen sind, suchen zahlreiche Schmetterlingsarten die Blüten des Bärenklaus auf, um den reichlich dargebotenen Nektar mit ihren langen Rüsseln aufzusaugen. Der Zusammenschluss der kleinen Blüten zu den großen Blütenständen einer Doppeldolde bieten den Schmetterlingen neben Nektar in Hülle und Fülle auch einen ausreichend großen Lande- und Sitzplatz. 


Obwohl Schmetterlinge mit ihren langen Rüsseln auch Nektar erreichen können, der am Grund von mehr oder weniger langer Blütenkronröhren geborgen ist, findet auf den Blütenständen des Bärenklaus ein reger Besuch durch Schmetterlinge statt (Kleiner Eisvogel (links), Kaisermantel (rechts). Foto: M. Neitzke

Aber nicht nur die Schmetterlinge profitieren von dem Blütenbesuch in Form einer energiereichen Mahlzeit, auch der Bärenklau hat seinen Vorteil von dem Gastspiel der Falter, da sie durch den Transport von Pollen an ihrem Körper ihren Beitrag zur Fremdbestäubung leisten.


Ein Landkärtchen (Araschnia levana) (Dunkle Sommerform) besucht die Blüten des Bärenklaus. Den deutschen Namen verdankt der Falter der kontrast- und strukturreichen Musterung der Flügelunterseite, die an eine geographische Karte erinnern soll. Während der Falter mit seinem langen Rüssel den Nektar von dem Griffelpolster der Blüten saugt, berührt er mit der Unterseite seines Körpers die Staubbeutel und pudert sich mit Pollen ein. Fotos: M. Neitzke


Das Große Ochsenauge (Maniola jurtina) fliegt in nur einer Generation von Anfang Juni bis Anfang September. Auch wenn es Pflanzen mit violetten/rötlichen Blüten bevorzugt, werden die Blüten des Wiesen-Bärenklaus aufgesucht. Fotos: M. Neitzke 


Zu den häufigen Besuchern des Wiesen-Bärenklaus gehört der Kaisermantel (Argynnis paphia), der größte mitteleuropäische Perlmuttfalter. Foto: M. Neitzke


Ein Kleiner Eisvogel (Limenitis camilla) auf den Blüten des Wiesen-Bärenklaus. Foto: M. Neitzke

Eine bedeutende Rolle bei der Bestäubung kommt auch den Vertretern aus der Ordnung der Hautflügler (Hymenoptera) zu. Diese ist durch die Honigbiene und zahlreiche Wildbienen- und Wespenarten gut vertreten. Über 30 Wildbienenarten nutzen das Pollen und Nektarangebot des Wiesen-Bärenklaus, darunter 25 Sandbienenarten, 1 Seidenbienenart, 2 Furchenbienenarten und 3 Schmalbienenarten.[14, 21] Der Nektar des Wiesen-Bärenklaus ist an vielen Frühjahrs- und Sommerhonigen beteiligt.[8]


Aufgrund ihres reichen Nahrungsangebotes sind die Blüten des Bärenklaus bei den Honigbienen sehr beliebt. Foto: M. Neitzke


Die Honigbienen nutzen sowohl das Nektar- als auch das Pollenangebot der Blüten des Wiesen-Bärenklaus. Der Pollen wird von den Bienen in kleinen weißlich-grauen bis grünlich-gelben Höschen eingetragen. Hintermeier Fotos: M. Neitzke


Eine kleine Wildbiene sammelt den Pollen des Wiesen-Bärenklaus und transportier ihn in großen, hellgelben Höschen zu ihrer Brut. Fotos: M. Neitzke

Während bei den Honig- und den Wildbienen sowohl bei den erwachsenen Tieren als auch bei den Larven rein pflanzliche Kost auf dem Speiseplan steht, unterscheidet sich bei den Wespen die Ernährung der erwachsenen Tiere häufig von der der Larven.

Bei den zahlreich vertretenen Blattwespen (15 verschiedene Arten), den Wespen ohne „Wespentaille“ ernähren sich die erwachsenen Tiere überwiegend von Nektar, Pollen und Honigtau, gelegentlich aber auch räuberisch von kleinen Insekten. Die Larven nehmen dagegen nur reine Pflanzenkost zu sich (phytophag).


Während sich bei den Blattwespen die Larven rein vegetarisch ernähren, jagen die erwachsenen Tiere zusätzlich zu ihrer Hauptnahrung aus Pollen, Nektar und Honigtau gelegentlich auch kleinere Insekten (links: Bergblattwespe (Macrophya montana), Mitte: Johanniskraut-Blattwespe (Tenthredo amoena), rechts: Rübsenblattwespe (Athalia rosae)). Fotos: M. Neitzke

Die erwachsenen Tiere der Faltenwespen verköstigen sich überwiegend mit kohlenhydratreichem Nektar. Aufgrund ihrer nur wenige mm langen Mundwerkzeuge sind sie auf Blüten mit frei dargebotenem Nektar, wie bei den Blüten des Wiesen-Bärenklaus angewiesen. Ihre Brut benötigt dagegen eiweißreiche Kost. Als geschickte Jägerinnen jagt die Gemeine Wespen, die häufig auf den Blüten des Bärenklaus zu beobachten sind, fast alle Insekten, die kleiner sind als sie selber. Zu ihrer Beute zählen Fliegen, Stechmücken, Bremsen und Blattläuse. Ein einzelnes Volk kann täglich zwischen 500 und 2000 g Insekten erbeuten. Sie erweist sich dadurch als effiziente natürliche Schädlingsbekämpferin. Neben Insekten wird aber auch Aas, das von den erwachsenen Tieren ebenfalls nicht verschmäht wird, an die Brut verfüttert. Sie leistet hiermit einen Beitrag zur „biologischen Müllentsorgung“ in den Ökosystemen.


Die zu den Faltenwespen gehörende Französische Feldwespe (Polistes dominula) und Gemeine Wespe (Vespula vulgaris) ernähren sich als erwachsene Tiere überwiegend von kohlenhydratreichem Nektar, für ihre Brut jagen sie eiweißreiche Nahrung und spielen daher eine wichtige Rolle als natürliche Schädlingsbekämpferinnen. Fotos: M. Neitzke

Die erbeuteten Insekten werden zu einem Brei zerkaut und an die Brut verfüttert Wespen. 


Eine Gemeine Wespe (Vespula vulgaris) hat einen Braunen Weichkäfer (Rhagonycha fulva) gefangen. Die Wucht des Aufpralls ist so stark, dass Opfer und Jägerin zunächst in der Tiefe der Dolde verschwinden. Es folgt ein wilder unübersichtlicher Kampf und dann hat die Wespe ihr Opfer überwältigt und saugt es aus. Nach der erfolgreichen Jagd ist dann erst mal eine Runde Putzen angesagt. Fotos M. Neitzke

Aber auch die Wespe wird zur Gejagten, sobald eine noch größere und gefährlichere Jägerin, wie die Hornisse über den Dolden des Bärenklaus auftaucht und nach Beute Ausschau hält. Diese wird in einem blitzschnellen Sturzflug überrascht.


Eine Hornisse (Vespa crabro) hat eine Gemeine Wespe (Vespula vulgaris) im Sturzflug erbeutet. Diese wird fachgerecht zerlegt bevor sie ins Nest gebracht wird. Fotos: M. Neitzke

Eine ganz andere Form der Brutfürsorge ist bei den Schmalbauchwespen bzw. Gichtwespen (Gasteruptiidae) und den Schlupfwespen (Ichneumonidae) verwirklicht. Während die erwachsenen Tiere dieser Familien sich von Pollen und Nektar ernähren, entwickeln sich ihre Larven als Parasiten anderen Insekten. Bei den Vertretern der Schmalbauchwespen (Gasteruptiidae) handelt es sich um Brut bzw. Futterparasiten. Die Arten der Gattung Gasteruption sind Brutparasiten bei Solitärbienen. Das Weibchen dieser Wespe führt ihren langen Hinterleib (Abdomen) und ihren noch längeren Legebohrer (Ovipostor) in ein Bienennest ein. Die Larven ernähren sich von dem Pollenproviant in der Brutzelle und evtl. auch von den Bienenlarven und Eiern.


Die erwachsenen Tiere der „Gichtwespe“ oder „Schwarzfüßigen Hungerwespe“ (Gasteruption jaculator) ernähren sich von Pollen und Nektar. Die Larven sind Brut- bzw. Futterparasiten bei hohlraumbewohnenden Solitärbienen. Die Weibchen legen mit Hilfe des mehr als körperlangen Legebohrer mit weißer Spitze ihre Eier in die Brutzellen der Bienen. Foto: M. Neitzke

Die Larven der Schlupfwespen leben als Raubparasiten. Die Larven der auf den Blüten des Bärenklaus zu beobachtenden Schlupfwespe Coleocentrus excitator (kein deutscher Name bekannt) parasitieren die Larven verschiedener Bockkäfer und Holzwespen. Das Weibchen sticht mit seinem langen Legestachel ein Ei in die im Holz befindliche Wirtslarve. Die Schlupfwespenlarve entwickelt sich in ihrem Wirt und töten ihn erst kurz vor der Verpuppung.


Männchen der Schlupfwespe Coleocentrus excitator auf den Blüten des Wiesen-Bärenklaus. Den Männchen fehlt der Legestachel. Fotos: M. Neitzke

Der enorme Artenreichtum der Zweiflügler (Dipteren) wird auf den Blüten des Wiesen-Bärenklaus durch Vertreter aus den Familien der Schwebfliegen, Raupenfliegen, Schmeiß- bzw. Goldfliegen, Fleischfliegen, Echte Fliegen, Dungfliegen und Bremsen repräsentiert.



Die Schwebfliegen sind mit über 20 Arten, die zahlenmäßig am stärksten vertretene Familie. Während die meisten beobachteten Arten keine ausgesprochene Spezialisierung auf die Blüten einer bestimmten Pflanzenart aufweisen, abgesehen von der offenen Darbietung des Nektars, sind andere Schwebfliegenarten, wie z.B. die Bunte Erzschwebfliege (Cheilosia illustrata) vorwiegend auf den Blüten des Wiesen-Bärenklaus anzutreffen.


Die Bunte Erzschwebfliege erinnert mit ihrer dichten und farbigen Behaarung auf den ersten Blick an eine Hummel. Sie ist überwiegend auf den Blüten des Wiesen-Bärenklaus anzutreffen. Fotos: M. Neitzke

Die erwachsenen Schwebfliegen ernähren sich vegetarisch von Pollen und Nektar und spielen eine wichtige Rolle bei der Betäubung von Wild- und Nutzpflanzen. So einheitlich sich die erwachsenen Tiere hinsichtlich ihrer Ernährungsbiologie verhalten, so unterschiedlich ist dagegen die Ernährungsweise der Larven der Schwebfliegen. Dementsprechend erfüllen sie auch unterschiedliche Funktionen im Naturhaushalt. Larven, die sich überwiegend von fauligen organischen Stoffen (saprophag) oder abgestorbenem organischen Material ernähre, übernehmen eine wichtige Rolle bei der Rückführung der Nährstoffe und damit im Nährstoffkreislauf von Lebensräumen. Larven, die sich von anderen kleineren Insekten, vor allem von Blattläusen ernähren, spielen dagegen eine wichtige Rolle bei der Schädlingsbekämpfung. 


Die Larven der Totenkopfschwebfliege (Myathropa florea) (links) und die Gemeine Keilfleckschwebfliege (Eristalis pertinax) entwickeln sich in schlammigem fauligem Wasser und ernähren sich von faulenden organischen Stoffen. Die Larven der Mondfleck-Feldschwebfliege (Eupeodes luniger) ((rechts) sind bedeutende Blattlausfeinde. Fotos: M. Neitzke

Auch die erwachsenen Tiere der Raupenfliegen ernähren sich vegetarisch von Pollen und Nektar. Die Larven entwickeln sich dagegen als Parasiten in Larven oder Raupen anderer Insekten. Die Weibchen der Gattung der Igelfliegen (Tachina) sowie der Gattung Eriothrix (kein deutscher Gattungsname) legen ihre Eier in direkter Nähe zu Raupen verschiedener Eulenfalter (Noctuidae) ab. Die geschlüpften Larven bohren sich dann in den Körper der Raupen und fressen sie langsam von innen her auf. Die Raupenfliegen können dadurch zu wichtigen Gegenspielern von Forst- und Obstbaumschädlingen werden. So parasitieren die Raupen der Rotgefleckte Raupenfliege (Eriothrix rufomaculatus) vor allem in Raupen des Zünslers Crambus hortellus.

Die Larven der Arten der Gattungen Gymnosoma und Ectophasia (für diese Gattungen gibt es keine deutschen Namen) entwickeln sich in verschiedenen Wanzen.


Die Larven der Igelfliege (Tachina fera) (links) und von Raupenfliege Gymnosoma nudifrons (kein deutscher Name) (Mitte) entwickeln sich als  Innenparasiten von Wanzen. Die Larven der Rotgefleckten Raupenfliege (Eriothrix rufomaculatus) (rechts) parasitieren in Eulenfaltern vor allem in Raupen des Zünslers Crambus hortellus. Fotos: M. Neitzke


Die Breitflügelige Raupenfliege (Ectophasia crasssipennis) (links) ist ein eifriger Blütenbesucher. Während sind die erwachsenen Tiere rein vegetarisch von Nektar und Polle ernähren, entwickeln sich ihre Larven als Parasiten in verschiedenen Wanzen, die sie von innen auffressen. Zu ihren Wirten gehören verschiedene Arten aus der Familie der Baumwanzen, Randwanzen, Stachelwanzen und Bodenwanzen, wie die Streifenwanze (Graphosoma italicum (Baumwanze), die Beerenwanze (Dolycoris baccarum (Baumwanze) (unten Mitte) und Braunen Randwanzen (Gonocerus acuteangulatus (Randwanze) (unten rechts). Fotos: M. Neitzke

Zwei weitere Familien, deren Arten als erwachsene Tiere ihren Kohlenhydratbedarf mit dem Nektar der Blüten des Wiesen-Bärenklaus decken sind die Schmeiß- und Fleischfliegen. Daneben ernähren sie sich auch von austretenden Flüssigkeiten an Aas und Kot. Die Larven entwickeln sich überwiegend in Aas und Kot. Sie spielen daher eine wichtige Rolle bei der Nährstoffrückführung und als Gesundheitspolizei.


Die Graue Fleischfliege (Sarcophaga carnaria) (links), die Totenfliege (Cynomyia mortuorum) und die Goldfliege (Lucilia spec.) spielen eine Rolle als Bestäuber, Nährstoffrecycler und Gesundheitspolizisten. Fotos: M. Neitzke

Ebenfalls eine wichtige Rolle bei Schädlingsbekämpfung spielt die zu den Netzflüglern gehörende Gemeine Florfliege (Chrysoperia carnea). Das filigrane Netzwerk der Flügeladerung der Tiere mit dem grün-gelblich schlanken Körper hat der zarten Fliege den Namen gegeben. Die ausgewachsenen Florfliegen ernähren sich ausschließlich von Pollen, Nektar und Honigtau. Die Larven leben dagegen räuberisch und erbeuten Blattläuse, kleine Raupen, Spinnenmilben und Wollläuse.


Ihren Namen verdankt die Gemeine Florfliege (Chrysoperia carnea) dem filigranen Muster ihrer Flügeladern. Die erwachsenen Tiere ernähren sich von Nektar, Pollen und Honigtau. Fotos: M. Neitzke

Obwohl die ersten Bestäuber der Blütenpflanzen sehr wahrscheinlich Käfer waren, spielen sie heute als Bestäuber nur eine untergeordnete Rolle. Die meisten von Ihnen fressen die zarten Blütenteile und den Pollen und schaden so mehr als sie nützen..[11]  Doch es gibt auch Formen, die sich auf die Aufnahme von Nektar und Pollen beschränken und so regelmäßige Blütenbesucher und auch brauchbare Bestäuber werden.[11] Dies gilt z.B. für die regelmäßig auf den Blüten des Wiesen-Bärenklaus anzutreffenden Arten aus der Familie der Bockkäfer (Beispiele: Gefleckter Schmalbock (Strangalia maculata), Kleinen Halsbock (Leptura livida)), der Scheinbockkäfer (Oedemiridae) und aus der Familie der Weichkäfer (Cantharidae), wie den Braunen Weichkäfer (Rhagonycha fulva). Unter den Blatthornkäfern (Scarabaeidae) sind die Pinselkäfer, wie z.B. der Gebänderte Pinselkäfer (Trichius fasciatus) häufige Blumenbesucher. Gelegentliche Blütenbesucher finden sich unter den Marienkäfern (Coccinellidae).


Die Mundwerkzeuge der meisten Käfer sind durchwegs kurz entwickelt. Deshalb sind sie in der Regel auf die Ausbeutung von Blüten angewiesen, deren Nektar und Pollen leicht zugänglich ist.[11] Daher üben Blüten der Doldenblütengewächse eine große Anziehungskraft auf Käfer aus.[8] Bis zu 20 verschiedene Käferarten wurden auf den Blüten des Wiesenbärenklaus gesichtet.[14]  Die erwachsenen Tiere leisten bei ihren ausgiebigen Pollen- und Nektarmahlzeiten, während derer sie auf den Blütenständen herumspazieren, wertvolle Bestäubungsdienste. Die Larven der Bockkäfer, Scheinbockkäfer und der Pinselkäfer entwickeln sich in morschen Waldbäumen und Sträucher, alten Baumstubben, verrottenden Wurzeln und Brandholz und leisten dabei einen wertvollen Beitrag zur Zersetzung von totem organischem Material und dem Nährstoffkreislauf in Waldökosystemen. Die Marienkäfer spielen dagegen eine wichtige Rolle bei der Schädlingsbekämpfung. Sowohl die erwachsenen Käfer als auch die Larven sind effektive Blattlausvertilger. So frisst ein erwachsener Käfer des Siebenpunktmarienkäfers 100-150 Blattläuse pro Tag und eine Larven 400 – 600 Blattläuse / 3 Wochen. Erwachsene Käfer ernähren sich zusätzlich von Pollen und Nektar verschiedener Blütenpflanzen.


Auch die Braunen Weichkäfer (Rhagonycha fulva) leisten einen wichtigen Beitrag zur Bestandsregulierung anderer Insekten. Neben Pollen fressen die erwachsenen Tiere auch kleine Insekten z.B. Blattläuse. Ihre Larven jagen im Boden nach kleinen Insekten und Schnecken.


Bei dem blumenbesuchenden Gefleckten Schmalbock (Strangalia maculata) entwickeln an den Unterkiefern dichte Haarbüschel, die zum Aufsaugen der Pollens und kapillaren Aufnehmen des Nektars dienen. Fotos: M. Neitzke


Mit seinem kräftig behaarten Körper überträgt der Pinselkäfer (Trichius fasciatus) bei seinen Streifzügen auf der Suche nach Pollen und Nektar auf den Dolden des Wiesen-Bärenklaus den Pollen von Blüte zu Blüte. Fotos: M. Neitzke


Die erwachsenen Tiere des Kleinen Halsbocks (Leptura livida) und der Scheinbockkäfer (Oedemera spec.) fressen Pollen und Nektar auf den Blüten des Wiesen-Bärenklaus, der Asiatischer Marienkäfer (Harmonia axyridis) ernährt sich in erster Linie von Blattläusen, der Nektar und Pollen sind nur ein Zubrot. Fotos: M. Neitzke

Viele Käfer suchen die Blütendolden des Wiesen-Bärenklaus nicht nur zur Nahrungssuche auf, sondern auch um Partner für die Paarung zu finden. 


Die großen Blütenstände des Bärenklaus sind für den Braunen Weichkäfer (Rhagonycha fulva) richtige Partnerbörsen, auf denen man sich trifft und paart. Foto: M. Neitzke


Wem die Oberfläche der Blütendolde denn doch zu öffentlich ist, entzieht sich den neugierigen Blicken durch ein Abtauchen in das Innere der Blütendolde und lässt sich auch durch ungebetene Voyeure nicht stören. Fotos: M. Neitzke

Aber nicht immer ist die Partnersuche aus der Luft auch erfolgreich, wie das Beispiel des Gefleckten Schmalbocks und des Kleinen Halsbocks zeigt.


Dem Kleinen Halsbock gelingt eine nahezu perfekte Punktlandung auf dem deutlich größeren Gefleckten Schmalbock. Sollte es sich hierbei um einen Paarungsversuch handeln, so wird die peinliche Verwechselung nach einigen vergeblichen Bemühungen bemerkt. Fotos: M. Neitzke


Da bleibt nur die rasche und unauffällige Entfernung vom Ort der blamablen Verwechselung. Wie heißt es doch so treffend in einer bekannten Werbung: „Mit Brille wäre das nicht passiert.“ Fotos: M. Neitzke

Literatur:


  1. Bahadori, B., Dinparast, L. & G. Zengin (2016): The genus Heracleum: a comprehensive review on its phytochemistry, pharmacology and ethnobotany values as a useful herb. Comp. Rev. Food Sci. Food Saf., 15: 1018-1039. 
  2. Benedec, D., Hanganu, D., Filip, L., Oniga,I., Tiperciuc, B., Olah, N.-K., Gheldiu, A.-M., Raita, O. &L. Vlase (2017): Chemical, antioxidant and antibacterial studies of Romanian Heracleum sphondyleum. Farmacia, 62: 252-256.
  3. Bross-Burkhardt, B. (2006): Wildkräuter und Wildgemüse, erkennen – sammeln – genießen. Neuer Umschau Buchverlag GmbH, Neustadt an der Weinstraße, 167 S.
  4. Dreyer, E. M. (2020): Essbare Wildpflanzen Europas. Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg, 407 S.
  5. Düll, R. & H. Kutzelnigg (1994): Botanisch-ökologisches Exkursionstaschenbuch. 5. Aufl., Quelle & Meyer, Heidelberg, Wiesbaden, 590 S.
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  7. Fierascu, R. C., Padure, I. M., Avramescu, S. M., Ungureanu, C., Bunghez, R. I., Ortan, A., Dinu-Pirvu, C., Fierascu, I. & L. C. Soare (2016): Prelimanary assessemnt of the antioxidant, antifungal and germination inhibitory potential of Heracleum sphondylium L. (Apiaceae). Farmacia, 64: 403-408.
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  21. Westrich, P. (2018): Die Wildbienen Deutschlands. Eugen Ulmer, Stuttgart, 821 S.
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