Ab April erscheint unter Hecken, in Wiesen und Weiden, an Wald- sowie Gebüschrändern und in Wäldern der blau blühende etwa 15- 60 cm hohe Gundermann (Glechoma hederacea). Dort wo er wächst, zeigt er eine gute Nährstoffversorgung an. Häufig bedeckt er große zusammenhängende Flächen an Rändern von Waldwegen sowie unter Hecken und Zäunen und wird daher in der Eifel im Volksmund liebevoll „Kräutchen unter dem Zaun“ genannt.[14]
Der blau blühende Gundermann ist ein typisches Element unserer heimischen Artenvielfalt im Frühjahr. Er ist vor allem in feuchten Wäldern, unter Hecken, an Waldrändern und auf Wiesen zu finden, wo er oft ausgedehnte Teppiche bildet. Foto: M. Neitzke
Dieses Element unserer heimischen Pflanzenvielfalt, hat schon immer eine besondere Faszination auf die Menschen ausgeübt. Bereits die Germanen hat der Gundermann in seinen Bann gezogen. Sie weihten diese kleine Pflanze keinem geringeren als dem Wetter- bzw. Donnergott Donar, dem Beschützer der Menschen.[37, 43] Diese heilige Pflanze konnte sie so vor Gewitter und Blitzschlag schützen. Regionale Bezeichnungen wie Donnerkraut oder Wetterkraut deuten noch heute auf diesen Zusammenhang hin. Übernatürliche Fähigkeiten wurden ihm auch im Aberglauben und Hexenwahn im Mittelalter zugeschrieben. Es sollte Verwünschungen, wie etwa den Milchzauber, der ein Versiegen der Milch der Kühe zur Folge hatte, abwehren und beim Erkennen von Hexen hilfreich sein.[37, 43] Allerdings war die Hilfe, die die Menschen im Alltag durch die Verwendung des Gundermanns als Heilpflanze erfuhren wesentlich profaner und wirkungsvoller und hatte mit Zauberei nichts zu tun. Der Gundermann ist eine alte Heilpflanze, die vor allem bei der Behandlung von eitrigen Wunden verwendet wurde. Es wird daher auch vermutet, ganz sicher ist man sich da allerdings nicht, dass sich der deutsche Name Gundermann auf diese Anwendung bezieht und von dem altdeutschen Begriff „gunt“ für Eiter ableitet. Die Behandlung von offenen Wunden, ob bei kriegerischen Auseinandersetzungen, Wirtshausschlägereien oder bei der Haus- und Feldarbeit entstanden, stellte bei den schlechten hygienischen Verhältnissen der damaligen Zeit eine ernste Herausforderung dar.[2, 23, 28, 33, 37, 43] Die Benennung einer Pflanze nach ihrem häufigsten und am meisten geschätzten Einsatzgebiet war durchaus üblich. In der Phytotherapie wird der Gundermann heute nicht verwendet, in der Volksheilkunde vieler Länder Europas hat er aber nach wie vor seinen Platz. In Europa wird der Gundermann in der Volksmedizin seit Jahrhunderten als wertvolles Heilkraut bei der Behandlung von Asthma, Erkältungen, Husten, Grippe, Kopfschmerzen, Magenerkrankungen, Hypochondrie, schlecht heilenden Wunden und Entzündungen im Allgemeinen angesehen.[2, 24, 28, 33, 38, 46] In der Traditionellen chinesischen Medizin wird der Gundermann bei Diabetes, Gallensteinen, Wassersucht, Entzündungen und Abszessen verwendet. Zahlreiche neuere Untersuchungen der Inhaltsstoffe und der Wirkung von Extrakten des Gundermanns lassen einen Einsatz in diesen traditionellen Anwendungsbereichen als plausibel und nicht als Hexenwerk erscheinen.[1, 5, 9, 10, 11, 12, 15, 24, 26, 42, 48] Der Gundermann ist reich an bioaktiven Verbindungen, die für die beobachteten Wirkungen verantwortlich sind.
Nicht nur als Heilpflanze, sondern auch als Würzpflanze hat der Gundermann eine lange Tradition. Aufgrund seines herb-würzigen, etwas bitteren Geschmacks war der Gundermann, wie auch andere bitter-aromatische Kräuter im Mittelalter, eine wichtige Zutat beim Bierbrauen.[23, 37, 43] Erst das von Herzog Wilhelm von Bayern im Jahre 1516 erlassene Reinheitsgebot erlaubte nur noch Wasser, Malz, Hefe und Hopfen als Brauzusätze.[37, 43] Auch der volkstümliche Begriff „Soldatenpetersilie“, der sicherlich zur Zeit des dreißigjährigen Kriegs gebräuchlich war, nimmt Bezug auf seine Verwendung als beliebtes Würzkraut.[23] In dieser Eigenschaft wird er auch von den Anhängern der Wildkräuterküche seit Jahren hoch geschätzt. Seine Verwendung in der Nahrungsmittelindustrie und Anbaumöglichkeiten im Rahmen einer biologischen Landwirtschaft werden untersucht.[30, 41, 49] Weit verbreitet war der Gundermann auch als Kultspeise. Er gehörte zu den neunerlei Gründonnerstags-Kräutern („Ach du grüne Neune“).[23]
Extrakte des Gundermanns haben einen positiven Effekt auf Haut und Haare und können deren Zustand verbessern.[4] Sie erfreuen sich daher in der Kosmetikindustrie als Bestandteil von Haut- und Haarpflegemitteln einer wachsenden Beliebtheit.[20, 21] Die positive Wirkung der oberirdischen Pflanzenteile des Gundermanns auf Haut und Haare, aber auch auf zahlreiche Krankheitsbilder ist auf den hohen Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen, vor allem Polyphenolen, Gerbstoffen und ätherischen Ölen zurückzuführen.
Der Gundermann erweitert das Spektrum der Frühlingspflanzen und damit das Nahrungsangebot für die im Frühling fliegenden Insekten. Der Besuch von rund 40 verschiedenen Insektenarten ist dokumentiert. Aufgrund der etwa 9-16 mm langen Blütenkronröhre zählen neben der Honigbiene, vorwiegend Schmetterlinge, wie der Zitronenfalter und der Große Kohlweißling und Wildbienen mit entsprechend langen Rüsseln sowie der Große Hummelschweber zu den Blütenbesuchern.[19, 32, 47]
Die 6,5 - 16 mm lange Blütenkronröhre erlaubt nur Insekten mit entsprechend langen Rüsseln den Zutritt zum Nektar. Fotos: M. Neitzke
Der Gundermann ist im Frühjahr eine Nahrungsquelle für zahlreiche Insekten, die bei ihrem Blütenbesuch die Blüten bestäuben. Durch die Fremdbestäubung sorgen sie für die Aufrechterhaltung der genetischen Diversität, einer Voraussetzung für die chemische Diversität. Fotos: M. Neitzke
Extrakte des Gundermanns werden in der Kosmetik- und Körperpflegeindustrie wegen ihrer haut- und haarpflegenden, kräftigenden und antioxidativen Wirkung geschätzt.[20] In den einschlägigen Datenbanken sind zur Zeit 34 Produkte gelistet, die Extrakte des Gundermanns enthalten.[21] In Kosmetika und Körperpflegeprodukten kommt die ganze Pflanze ohne die Wurzeln, also nur die Blüten, Blätter und Stängel zum Einsatz.[20, 21] Extrakte der Pflanze sind in erster Linie in Pflege- und Reinigungsprodukten für Gesicht und Haare enthalten. Gundermann macht das Haar leicht kämmbar, geschmeidig, weich, glänzend und verleiht ihm Volumen. Zu den bevorzugten Einsatzgebieten der Auszüge des Gundermanns gehören vor allem Präparate für die Pflege der empfindlichen Augenpartie. Zudem werden sie für Kosmetikprodukte zur Pflege entzündeter und irritierter Haut empfohlen. Sie können den Heilungsprozess der Haut unterstützen und diese beruhigen, außerdem Juckreiz und Schmerzempfindung reduzieren.[4] Sie sind Bestandteil von Präparaten, die geschädigte Haut reparieren sowie die Regeneration der Hautzellen fördern sollen.[4] Auch Sonnenschutzmittel profitieren von den starken antioxidativen Eigenschaften des Gundermanns. Die hautaufhellende (depigmentierende) Wirkung von Extrakten des Gundermanns ist sowohl für die Kosmetikindustrie als auch für die Medizin von Bedeutung.[10, 18, 22, 34]
Die starke antioxidative und entzündungshemmende Wirkung unterschiedlicher Extrakte des Gundermanns ist in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen worden.[1, 3, 4, 9, 10, 11, 13, 16, 17, 29, 30, 41, 42, 46]. Die antibakterielle Wirkung ist sowohl für Kosmetik- als auch für die Pharmaindustrie von Interesse.[24, 26]
Die beobachteten Wirkungen der Extrakte des Gundermanns werden vor allem auf seinen hohen Gehalt an Polyphenolen zurückgeführt.[3] Die häufigsten polyphenolischen Verbindungen sind die Polyphenolsäuren Rosmarinsäuren, Kaffeesäure, Ferulasäure, Chlorogensäure und Sinapinsäure, die für ihre antioxidative, entzündungshemmenden und antimikrobiellen Aktivitäten bekannt sind.[3, 5, 6] Kaffeesäure wirkt darüber hinaus immunstimulierend. Eine starke entzündungshemmende und antioxidative Wirkung besitzen auch die nachgewiesenen Flavonoide Rutin und Genistein.[5, 6] Die Flavonoide Rutin und Quercetin besitzen die Fähigkeit vor UVB- und UVA-Strahlung zu schützen und erwiesen sich in Untersuchungen zur Entwicklung von Sonnenschutzmitteln auf natürlicher Basis als viel versprechende Zusätze für Präparate zum Schutz der Haut vor starker Sonnenstrahlung.[8] Das Flavonoid Rutin könnte aufgrund seiner entzündungshemmenden und antioxidativen Eigenschaften eine Rolle bei der Bekämpfung allergischer Hauterkrankungen spielen.[7]
Auch für die ätherischen Öle des Gundermanns wurden eine antioxidative, entzündungshemmende und hautaufhellende Wirkung nachgewiesen.[10]
Neben den Polyphenolen und den ätherischen Ölen sind auch die hohen Gerbstoffgehalte für die beobachtete Wirkung des Gundermanns verantwortlich. Gerbstoffe besitzen die Fähigkeit mit den Polypeptidketten des Kollagens der Haut zu reagieren und diese miteinander zu vernetzen. Sie wirken daher zusammenziehend ("adstringierend") und werden deshalb häufig auch als Adstringentien bezeichnet. Diese Eigenschaft machen sie auch für die Kosmetik- und Körperpflegeindustrie so wertvoll. Aufgrund ihrer abdichtenden Wirkung erhöhen sie die Barriere für Keime und toxische Substanzen und verhindern die Entstehung eines günstigen Nährbodens für Keime. Sie wirken daher antibakteriell, antiviral und entzündungshemmend. Sie verzögern den Abbau von Hyaluronsäure und vermindern den transepidermalen Wasserverlust. Darüber hinaus wirken hohe Gerbstoffkonzentrationen lokal leicht betäubend. Gerbstoffhaltige Kosmetik wird daher insbesondere zur Pflege entzündeter, unreiner und fettiger Haut und bei Sonnenbrand angewendet. Durch eine Verengung der Schweißporen wirken sie bei starkem Schwitzen und leichter Form der Hyperhidrose (krankhaftes Schwitzen) lokal reduzierend auf die Schweißsekretion.
In der Phytotherapie findet der Gundermann keine Anwendung. In der europäischen und chinesischen Traditionellen Medizin hat der Einsatz des Gundermanns dagegen eine lange Tradition. In Europa wird der Gundermann in der Volksmedizin seit Jahrhunderten bei der Behandlung von Erkrankungen der Atemwege wie Asthma, Erkältungen, Husten, Bronchitis, Grippe sowie bei Magen- und Darmkatarrhen, Kopfschmerzen, Hypochondrie, und Entzündungen im Allgemeinen eingesetzt. Äußerlich angewendet dienen Waschungen mit Auszügen des Gundermanns bei Hauterkrankungen und schlecht heilenden Wunden als wirksames Heilmittel.[2, 24, 28, 33, 38, 46]
Aktuelle Studien haben gezeigt, dass Extrakte des Gundermanns zusätzlich zu den bereits erwähnten antioxidativen, antimikrobiellen und entzündungshemmenden Effekten eine antivirale (Epstein-Barr-Virus), antimutagene und tumorzellenabtötende Wirkung besitzen.[1, 3, 4, 9, 10, 11, 13, 16, 17, 24, 26, 27, 36, 37, 40, 45, 46] In Tierexperimenten wirkten sich Auszüge des Gundermanns negativ auf die Bildung von Gallensteinen aus.[48]
Der Gundermann enthält eine Vielzahl von Stoffwechselprodukten des Sekundärstoffwechsels in bedeutenden Mengen, einschließlich Terpenoiden, Flavonoiden, phenolischen Säuren, komplex zusammengesetzten ätherischen Ölen (238 verschiedene Verbindungen) und Alkaloiden, die für die pharmakologischen Eigenschaften verantwortlich sind.[3, 5, 6, 9, 11, 16, 31, 36, 37, 39, 40, 46] Der relativ hohe Gehalt an Gerbstoffen erklärt die Wirkung der Droge bei Durchfall.
Der Gundermann (Glechoma hederacea) gehört zu der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae). Das charakteristische Merkmal dieser Familie ist die Blütenform, die dieser Familie auch ihren Namen gegeben hat. Die blauviolette, 1-2 cm lange Blütenkrone ist wie bei allen Lippenblütengewächsen durch das Verwachsen von 5 Blütenblättern entstanden. Während die Kronblätter im unteren Teil zu einer Röhre zusammengewachsen sind, bilden sie im oberen Teil einen zweilippigen Saum.[25] Der Bau der Blütenkrone der Lippenblütler erinnert an ein geöffnetes Maul mit einer Ober- und Unterlippe. Diese Ähnlichkeit hat auch zu dem Namen der Familie, nämlich „Lippenblütler“ geführt. Ein solcher Aufbau der Blüte bedeutet, dass es nur eine Spiegelebene (Symmetrieebene) gibt, die die Blüte in zwei spiegelgleiche Hälften teilt. Die Symmetrieachse verläuft vertikal, also senkrecht von oben nach unten. Die Blüte ist zweiseitig symmetrisch.
Die blauen Blüten des Gundermanns haben nur eine Symmetrieebene (rote Linie), die die Blüte in zwei deckungsgleiche Hälften teilt. Die Blüte erinnert an ein geöffnetes Maul mit zwei Lippen. Foto: M. Neitzke
Die flache Oberlippe der blauen Blüten des Gundermanns ist durch Verwachsen von zwei Blütenblättern entstanden und vorne schwach ausgerandet. Die Unterlippe ist durch das Verwachsen von drei Blättern entstanden und besteht aus einem großen Mittellappen und zwei kleineren seitlichen Lappen. Die Unterlippe dient den bestäubenden Insekten als Landeplatz. Die blauviolette Unterlippe des Gundermanns weist purpurne bis violette Fleckenmale, sog. Tüpfelsaftmale auf. An der Basis findet sich auch ein UV-freier Fleck, während die übrige Krone UV schwach reflektiert.[25] Diese auffällige Musterung der Unterlippe steht im Dienst der Insektenanlockung. Ein Borstensaum am Eingang der Kronröhre soll das Eindringen von Nektarräubern verhindern.[25]
Die Oberlippe der zweilippigen Blütenkrone des Gundermanns ist seicht ausgerandet. Die Unterlippe besteht aus einem großen Mittellappen und zwei kleineren Seitenlappen und weist eine purpurnes bis violettes Fleckenmuster auf. Foto: M. Neitzke
Im unteren Teil sind die Blütenkronblätter zu einer Röhre verwachsen. Die Kronröhre ragt weit aus dem fünfzähnigen Kelch heraus. Die Länge und der Durchmesser der Kronröhre Röhre bestimmen welche Insekten den Nektar am Grund der Blüte erreichen können. Der Nektar wird in der Regel von einer ringförmigen Drüse an der Basis des 4 spaltigen Fruchtknoten am Grund der Blüte abgesondert.[25]
Während die Krone des Gundermanns deutlich zweilippig ist, ist der Kelch regelmäßig 5zähnig. Foto: M. Neitzke
Der Gundermann weist eine Besonderheit auf. Neben zwittrigen Blüten, also Blüten mit Staubblättern und Fruchtknoten mit Griffel und Narbe, kommen rein weibliche Blüten ohne Staubblätter, manchmal sogar rein weibliche Pflanzen vor.[14] Die Kronröhre und die Unterlippe der rein weiblichen Blüten sind kürzer als die der zwittrigen Blüten. So beträgt die Länge der Kronröhre bei den kleinblumigen weiblichen Blüten etwa 6,5 – 8 mm, bei den großblumigen zweigeschlechtlichen Pflanzen dagegen 9-16 mm.[32] Die zwittrigen Blüten enthalten, wie es für die Familie der Lippenblütler typisch ist, 4 Staubblätter, zwei längere und zwei kürzere. Die beiden längeren ragen ebenso wie der lange Griffel mit der zweispaltigen Narbe weit aus der Kronröhre heraus, überragen die Oberlippe aber nicht. Kleinere Insekten, wie z.B. die Schwebfliegen die auf Grund ihrer zu kurzen Rüssel, den Nektar am Grund der Blüten nicht erreichen können, können hier Pollen ernten. Um eine Selbstbestäubung zu vermeiden reifen die Staubbeutel vor den Narben. Die Blüten sind also vormännlich (proteandrisch).
Zwittrige Blüte des Gundermanns mit Staubbeuteln und Fruchtknoten samt Griffel und Narbe. Foto: M. Neitzke
Aufgrund der langen Blütenkronröhre können nur Insekten mit einem entsprechend langem Rüssel, wie z.B. der Zitronenfalter (Rüssellänge: 16-17 mm) und der Große Wollschweber (Rüssellänge: ≈ 10 mm) an den Nektar am Grund der Blüte gelangen. Foto: M. Neitzke
Auch die langrüsselige Gartenhummel (Rüssellänge: 15-21 mm) und die Ackerhummel (Rüssellänge: 10-15 mm) können das Nektarangebot des Gundermanns nutzen. Fotos: M. Neitzke
Für die kurzrüsselige Dunkle Erdhummel (Rüssellänge 8-10 mm (links)) und die kleine Wiesenhummel (rechts) wird es bei den großblumigen zweigeschlechtlichen Blüten mit den langen Blütenkronröhren schwierig an den Nektar zu gelangen, aber zum Glück gibt es ja die kleinblumigen weiblichen Pflanzen mit nur 6,5 – 8 mm langen Blütenkronröhren. Fotos: M. Neitzke
Eine Honigbiene ist auf einer Blüte des Gundermanns gelandet. Sie klammert sich mit ihrem mittleren Beinpaar an der Unterlippe fest, während sie den Nektar am Grunde der Blüte trinkt. Aufgrund ihres nur etwa 7 mm langen Rüssels muss sie den Kopf schon etwas tiefer in die Blüten stecken als die Schmetterlinge und der Große Wollschweber. Dabei berührt sie mit ihrem Kopf Staubbeutel und Griffel einer Blüte und trägt so zur Fremdbestäubung des Gundermanns bei. Fotos: M. Neitzke
Der Große Kohlweißling (Pieris brassicae) ist mit seinem langen Rüssel gegenüber der nur 6-8 mm große „Rübsenblattwespe“ (Athalia rosae) bei einem Blütenbesuch des Gundermanns klar im Vorteil. Für letztere ist der Nektar unerreichbar. Sie kann mit ihrem Rüssel nur den Pollen der aus der Blütenkronröhre herausragenden Staubbeutel ernten. Fotos: M. Neitzke
Die Fruchtreife findet zwischen Juni und Juli statt. Bei der Reife zerfällt die Frucht in 4 Teilfrüchte (Klausen). An einem Ende tragen sie ein fett- und eiweißreiches Anhängsel, das auch als Ölkörper oder Elaiosom bezeichnet wird. Dieses Anhängsel dient als Nahrung für Ameisen, die die Samen samt Ölkörper in ihren Bau verschleppen und so zur Verbreitung des Gundermanns beitragen.
Die Zeichnungen des schwedischen Botanikers C. A. M. Lindman[27] und des deutschen Naturforschers J. Sturm[44] zeigen Details der Blüten und Früchte sowie die Bildung von Ausläufern. Deutlich sind an einem Ende der dunklen Früchte die hellen Ölkörper (Elaiosom) zu erkennen. Lindman: 1) Pflanze, 2) Blüte, 3) Same; Sturm: a) Pflanze, b) Blüte, c) geöffnete Krone, d) Kelch, e) Fruchtknoten, f) Staubbeutel g) Fruchtkelch, h, Fruchtkelch, i) Fruchtteil nebst Durchschnitt.
Die Blüten stehen in lichtwendigen Halbquirlen in den Blattachseln.[14]
Die Blüten stehen zu 2-3 in den Blattachseln der gegenständigen Blätter und sind nach einer Seite hingewendet (einseitswendig). Fotos: M. Neitzke
Neben den zweiseitig symmetrischen (zygomorphen) Blüte und dem vierteiligen Fruchtknoten gehören auch der vierkantige Stängel und die gekreuzt gegenständige (dekussierte) Blattstellung zu den 4 Merkmalen, die die Familie der Lippenblütengewächse eindeutig charakterisieren. Bei einer gegenständigen Blattstellung stehen an jedem Knoten jeweils 2 Blätter. Bei einer gekreuzt gegenständigen Blattstellung stehen die Blätter an den aufeinanderfolgenden Knoten in einem Winkel von 90° zueinander. Die Blätter sind rundlich-nierenförmig mit einem grob gesägten Blattrand.
Die gekreuzt gegenständige Blattstellung (links) und der vierkantige Stängel (Mitte oben) gehören zu den 4 charakteristischen Merkmalen der Familie der Lippenblütengewächse. Die in den Achseln der gegenständigen Blätter dicht nebeneinanderstehenden Blüten laden die Insekten zu einem Spaziergang von Blüte zu Blüte ein (Mitte unten). Die gegenständigen Blätter haben eine rundlich-nierenförmig Form und einen grob gekerbten Blattrand (rechts). Fotos: M. Neitzke
Zwei Märzfliegen (Bibio marci) haben die Blätter des Gundermanns zur Paarung aufgesucht. Das Weibchen (links oben im Bild) ist größer als das Männchen. Deutlich sind die sehr großen halbkugeligen Augen der rauhaarigen Männchen zu erkennen (rechts im Bild). Sowohl der Kopf als auch seitlich stehenden Augen sind bei den Weibchen deutlich kleiner als bei den Männchen. Fotos: M. Neitzke
Neben der Vermehrung durch Samen zeigt der Gundermann eine sehr lebhafte vegetative Vermehrung durch unterirdische und vor allem durch oberirdische Ausläufer, die an den Knoten wurzeln. Letztere können eine Länge von bis 1,3 m erreichen. Zur Bildung der oberirdischen Ausläufer kommt es vor allem nach Beendigung der Blütezeit. Der Gundermann deckt daher of große Flächen an Waldwegrändern sowie unter Hecken und Zäunen.[14]