Europäisches Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus)

Das Europäische Pfaffenhütchen

 (Euonymus europaeus)

  • Bedeutung des Europäischen Pfaffenhütchens (Euonymus europaeus) für Biodiversität und menschliches Wohlbefinden
  • Potentielle Bedeutung des Pfaffenhütchens (Euonymus europaeus) in der Kosmetik und Körperpflege
  • Die Bedeutung des Europäischen Pfaffenhütchens (Euonymus europaeus) in der Heilkunde
  • Botanischer Exkurs – Ein Blick hinter die Kulissen
  • Blütenbesucher des Pfaffenhütchens

Bedeutung des Europäischen Pfaffenhütchens für Biodiversität und menschliches Wohlbefinden



Das Pfaffenhütchen ist ein sommergrüner Strauch, der relativ häufig in Hecken, an Waldrändern und in Wäldern, vor allem Auenwäldern, anzutreffen ist. Während es zur Blütezeit im Sommer mit seinen grünlichweißen, kleinen Blüten im Vergleich zu anderen Heckengehölzen, wie z.B. der Heckenrose, dem Gewöhnlichen Schneeball oder dem Blutroten Hartriegel, eher unauffällig blüht und daher nicht auf den ersten Blick zu entdecken ist, setzt es im Herbst mit seinen auffällig gefärbten Früchten und dem sich dunkelrot färbenden Laub weithin sichtbare, nicht zu übersehende farbliche Akzente in den Hecken und an den Waldmänteln. Mit seinen kleinen, reichlich Nektar produzierenden Blüten und den auffälligen Früchten bietet das Europäische Pfaffenhütchen vom Frühsommer bis weit in den Herbst hinein Nahrung für eine Vielzahl einheimischer Tierarten. Für den Menschen waren die Früchte in der Volksheilkunde als Mittel gegen Krätzmilben und Läuse sowie zur Wundbehandlung und das Holz als Werkstoff von Bedeutung.


Im Herbst fällt das Europäische Pfaffenhütchen in den Hecken und an den Waldmänteln durch seine auffällig gefärbten Früchte und das dunkelrote Laub auf. Fotos: M. Neitzke

Das harte, feinfaserige Holz des sehr ausschlagkräftigen Strauches wurde als Drechslerholz z.B. zur Anfertigung von Handspindeln verwendet. Daneben wurde es zur Herstellung von Stricknadeln und Zahnstochern sowie zur Gewinnung von Zeichenkohle und Putzholz für Uhrmacher genutzt.


Das Europäische Pfaffenhütchen ist eine der Pflanzen unserer heimischen Lebensräume, die zeigen, dass das Potential der mitteleuropäischen Pflanzenvielfalt für eine Nutzung in der Kosmetik- bzw. Körperpflegeindustrie und der Medizin noch nicht ausgeschöpft ist und bei genauer Untersuchung immer wieder Neues zu entdecken ist.

Das Europäische Pfaffenhütchen ist eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten, Vögel und Säugetiere. Darüber hinaus könnte es der Ausgangsstoff für die Entwicklung neuer Kosmetik- und Körperpflegeprodukte sein. Fotos: M. Neitzke

Potentielle Bedeutung des Pfaffenhütchens (Euonymus europaeus) in der Kosmetik und Körperpflege


Das Europäische Pfaffenhütchen gehört zur Familie der Spindelstrauch- oder Baumwürger-Gewächse (Celastraceae). Vertreter dieser Pflanzenfamilie werden nur sehr selten in der Kosmetikindustrie eingesetzt. Von den weltweit vorkommenden 1211 Arten aus 98 Gattungen werden bisher lediglich 10 Arten in der Körperpflegeindustrie verwendet. Darunter sind nur zwei Arten aus der Gattung „Pfaffenhütchen“ (Euonymus). Es handelt sich um das in Japan, China und Korea beheimatete Japanische Pfaffenhütchen (Euonymus japonicus) und das Flachstielige Pfaffenhütchen (Euonymus sachalinensis).[4] Letzteres kommt, wie der Artname schon verrät, zusätzlich noch auf der russischen, nördlich von Japan gelegenen Insel Sachalin vor. Von dem Japanischen Pfaffenhütchen werden die Blätter aufgrund ihrer haut- und haarpflegenden Eigenschaften, von dem Flachstieligen Pfaffenhütchen dagegen die Rinde genutzt.[4]


Dass auch die Rinde und vor allem die Samen des Europäischen Pfaffenhütchens ebenfalls chemische Verbindungen enthalten, die aufgrund ihrer Eigenschaften sowohl für die Kosmetikindustrie als auch für die Pharmazie von Bedeutung sind, hat eine Gruppe von Forscherinnen und Forschern aus der Ukraine gezeigt. [17, 18, 19] Dem Forscherteam aus der Ukraine gelang es zum ersten Mal einen Stoff mit dem Namen „Squalen“ im Öl und der Rinde des Pfaffenhütchens in ausreichenden Mengen nachweisen. Warum ist diese Entdeckung so bedeutsam? Squalen ist eine viskose, ölige, geruch- und geschmacklose Flüssigkeit, die sowohl in der Kosmetikindustrie als auch der Medizin von großer Bedeutung ist. Squalen ist ein natürlicher Bestanteil in vielen Pflanzen und Tieren. Squalen kommt auch im menschlichen Körper vor und ist mit 13-15 % ein Hauptbestandteil des Hauttalges (Sebum).[6, 19] Die höchste Konzentration weist allerdings die Leber von Tiefseehaien auf. Dem japanischen Forscher Mitsumaru Tsujimoto gelang 1906 die Entdeckung von Squalen in der Leber von Haifischen. Er schlug auch die Bezeichnung „Squalen“ für den von ihm isolierten Stoff, in Anlehnung an die lateinische Bezeichnung „squalus“ für Haifisch, vor.[6, 12, 19] Squalus ist auch der lateinische Name für die Gattung „Dornhai“. Squalen ist heute ein begehrter Rohstoff für die Kosmetik- und Pharmaindustrie. Squalen wird chemisch zu Squalan umgewandelt und in der Herstellung Kosmetika aber auch von Transformatorenöl und Schmieröl eingesetzt. Als Inhaltsstoff in Kosmetika ist es als „Squalane“ auf der Verpackung ausgewiesen. Die Hauptquelle für Squalen ist nach wie vor das Leberöl von Haien, einschließlich der Leber von Tiefwasserhaien. Große Mengen an Squalen finden sich in der Leber des Zwergschluckerhais (Centrophorus artomarginatus) (25 – 30 Gew. %). Noch höhere Konzentrationen werden in der Leber des Blattschuppen-Schlingerhais (Centrophorus squamosus) gefunden. Seine Leber enthält etwa 77 % fettes Öl und die Konzentration von Squalen darin beträgt 97,6 %.[19] Für eine Tonne Haileber-Öl werden zirka 3000 Haie benötigt und man schätzt, dass derzeit pro Jahr um die drei Millionen Haie für Squalen sterben müssen. Da gerade diese Haie sich nur sehr langsam vermehren und langsam wachsen führt die intensive Jagd auf sie zu ihrer Existenzbedrohung.[22, 23] Ein Ersatz des aus der Haileber gewonnen Squalens aus anderen Quellen kann zum Schutz und der Bestandssicherung der Haie beitragen. Forschenden ist es in den letzten Jahren gelungen, eine Variante aus Pflanzen, z.B. Zuckerrohr, Oliven, Amaranth oder Jojoba oder aus biotechnologischer Produktion aus Hefe auf den Markt zu bringen. Die Verwendung von Squalen, das aus Pflanzen gewonnen wird, ist sehr viel nachhaltiger als die Tötung der Haie. Hauptabnehmer für dieses auf Pflanzenbasis hergestellte „Phytosqualan“ ist die Kosmetikindustrie.[19] Als Nachteil des Phytosqualans wird immer wieder der höhere Preis angeführt. Da der Gehalt an Squalen in Pflanzen deutlich geringer ist als in Haileber, ist die Herstellung des Phytosqualans um etwa 1/3 teurer als das aus Haileber. Diese Rechnung hat allerdings den Haken, das beispielsweise die Kosten der ökologischen Dienstleistung, die die Haie u.a. als Gesundheitspolizei der Meere erbringen, nicht berücksichtigt werden. Auf den Listen der Inhaltsstoffe auf Kosmetika ist das auf pflanzlicher Basis hergestellte Squalan als „Phytosqualan“ ausgewiesen. Diese Kennzeichnung macht es dem Verbraucher leicht die Herkunft des Rohstoffes zu bestimmen und sich bewusst für die nachhaltige Variante zu entscheiden.


Die nach wie vor anhaltende Suche nach pflanzlichen Quellen für diesen begehrten Rohstoff, macht die Entdeckung von beträchtlichen Mengen an Squalen im Europäischen Pfaffenhütchens so bedeutsam.


Welche Eigenschaften machen Squalen zu einem bedeutenden Rohstoff für die Kosmetik- und Körperpflegemittelindustrie? Squalan beeinflusst die Anwendungseigenschaften von Kosmetikprodukten und übt als Bestandteil von Körper- und Haarpflegeprodukten eine günstige Wirkung auf Haut und Haare aus. Als natürlicher Bestandteil unseres Hauttalges dringt es leichter in die tieferen Hautschichten ein als künstliche Ersatzstoffe und wirkt daher langfristiger.[6, 19] Gleichzeitig kann es helfen zusätzliche Wirkstoffe in die Haut zu transportieren. Dabei ist Squalen als körpereigener Stoff nicht toxisch und besitzt kein allergisches Potential.[19] In Kosmetika verarbeitet bewirkt Squalen eine gute Verteilbarkeit der Produkte auf der Haut. (Spreitfähigkeit). Squalen ist ein starkes Antioxidans, das die oxidative Schädigung unserer Haut durch UV-Licht und andere schädliche Umwelteinflüsse verhindert.[6, 19] Es verbessert den Feuchtigkeitshaushalt der Haut nachhaltig und bewirkt so eine Reduktion von durch Hauttrockenheit bedingten Falten und wirkt sich günstig auf die Elastizität und Dehnbarkeit unserer Haut aus.[6, 19]Als Inhaltsstoff von Körperpflegemitteln wirkt Squalen als effektives Wundheilungsmittel.[19] Aber nicht nur das in dem Öl der Samen enthaltende Squalen besitzt einen positiven Effekt auf unsere Haut. Die Früchte des Pfaffenhütchens sind zudem reich an ungesättigten Fettsäuren, Carotinoiden und Vitamin E.

Die Samen des Europäischen Pfaffenhütchens sind reich an Fettsäuren, Squalen und Vitaminen. Foto: M. Neitzke

Der Anteil der ungesättigten Fettsäuren am Gesamtfettsäuregehalt liegt bei 87,8 %.[18] Die höchsten Konzentrationen weist die einfach ungesättigte Ölsäure auf, gefolgt von der zweifach ungesättigten Linolsäure. In deutlich geringeren Mengen wurde Palmitoleinsäure (einfach ungesättigt) und die dreifach ungesättigte Linolensäure gefunden.[18]

Außerdem enthält Öl des Europäischen Pfaffenhütchens in erheblichen Mengen Carotinoide (etwa 26 mg %) und Vitamin E (40,5 mg %). Die Gehalte sind zwar niedriger als die im Sanddornöl, liegen aber 3,5 - 6 mal höher als in den meisten Speiseölen. Die Mengen an Carotinoiden und Vitamin E im Öl des Europäischen Pfaffenhütchens sind aber ausreichend hoch, um einen wundheilenden Effekt zu erzielen.[18]


Vor dem Hintergrund der Bedrohung des Anbaus des Sanddorns in Deutschland durch ein bisher ungeklärtes Massensterben, erscheinen die Ergebnisse über die Inhaltsstoffe und die wundheilenden Eigenschaften des Öls des Pfaffenhütchens in neuem Licht. Die bisher unbekannte Krankheit führt zu einem Vertrocknen der Pflanzen, just zu dem Zeitpunkt, zu dem die Pflanze in einem Alter von 6 bis 8 Jahren beginnt Früchte zu tragen. Das Öl der Früchte des ursprünglich aus dem nepalesischen Hochland im Himalaya stammenden Sanddorns wird in der Phytotherapie zur Heilung von Hauterkrankungen eingesetzt, ist aber auch Bestandteil von über 1300 Kosmetik- und Körperpflegeprodukten. Das Europäische Pfaffenhütchen könnte eventuell eine einheimische Alternative in diesem Einsatzgebiet des Öls der Sanddornfrüchte darstellen. 

Die Bedeutung des Europäischen Pfaffenhütchens der Heilkunde


Das Europäische Pfaffenhütchen enthält in allen Pflanzenteilen herzwirksame Glykoside (Cardenolide), darunter vor allem Evonosid.[13] In den Samen der Früchte finden sich zudem giftige Alkaloide wie Evonin, außerdem Lektine und fettes Öl.[13]

In der Schulmedizin wird das Europäische Pfaffenhütchen heute nicht mehr genutzt.[13] Homöopathische Zubereitungen werden noch gelegentlich gegen Kopfschmerzen und bei Lebererkrankungen eingesetzt.[13] In der Volksmedizin wird das Öl des Europäischen Pfaffenhütchen zur Behandlung von Hautkrankheiten von Menschen und Tieren verwendet, insbesondere von Pilzerkrankungen und Ekzemen.[17, 18, 19]  Früher dienten Abkochungen der Früchte u.a. als harntreibendes Mittel, gepulvert dienten sie als Mittel gegen Krätzmilben und Läuse, wobei die Wirkung wohl auf das giftige Alkaloid Evonin zurückzuführen war. Das fette Öl gebrauchte man ebenfalls als Ungeziefermittel.[13]


In Tierversuchen konnte die Wirksamkeit des Öls des Europäischen Pfaffenhütchens bei der Behandlung einer nicht allergischen Kontaktdermatitis nachgewiesen werden.[18] Die hohe Wirksamkeit des Öls führen die Autoren/innen auf den hohen Gehalt ungesättigter Fettsäuren, Carotinoiden und Vitamin E zurück.

Botanischer Exkurs – Ein Blick hinter die Kulisse


Von der 129 Arten umfassenden Gattung „Pfaffenhütchen“ sind nur 2 Arten in Deutschland heimisch, das Europäische Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus) und das Breitblättrige Pfaffenhütchen (Euonymus latifolius).[7] Von beiden ist nur das Europäische Pfaffenhütchen chemisch genauer untersucht.


In Deutschland sind nur 2 Arten der Gattung „Pfaffenhütchen“ (Euonymus) heimisch, das Europäische Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus) (links) und das Breitblättrige Pfaffenhütchen (Euonymus latifolius) (rechts). Abb. Sturm, J. (1902).

Das Europäische Pfaffenhütchen ist ein sommergrüner Strauch, der bis zu 6 m hoch werden kann.[2] Ein charakteristisches Merkmal, an dem das Pfaffenhütchen auch im Winter zu erkennen ist, sind die sog. Korkleisten an den Zweigen. Diese sind bereits an den jungen, vierkantigen, grünen Zweigen als schmale auf den Kanten verlaufende braune Streifen aus Korkgewebe zu erkennen. Mit zunehmendem Alter entwickeln sich diese immer stärker bis hin zu kräftigen abstehenden Korkleisten. Später wachsen die Korkleisten zusammen und die Rinde der Stämme wird grau.[20]


Die jungen Zweige des Europäischen Pfaffenhütchens sind grün und vierkantig mit hell-braunen schmalen Streifen aus Korkgewebe auf den Kanten (links) die sich später zu kräftigen abstehenden Korkleisten auswachsen (Mitte, rechts). Fotos: M. Neitzke

Blütenaufbau des Europäischen Pfaffenhütchens



Die vierzähligen Blüten des Pfaffenhütchens sind aufgrund ihrer geringen Größe (Ø etwa 1 cm) und der grünlich-weißen Farbe der vier schmalen, etwa 3-5 mm langen Kronblätter eher unauffällig. Die eingeschränkte optische Attraktivität der Blüten wird aber durch die reichliche Nektarproduktion des dunkelgrünen, fleischigen, viereckigen, nektarproduzierenden Drüsengewebes, des sog. Diskus, im Zentrum der Blüte ausgeglichen (Ø etwa 2,6 mm). Am Rand auf dem Diskus stehen die vier kurz gestielten, weißlichen Staubblätter (hypostaminaler Diskus), in der Mitte der grüne Fruchtknoten mit dem kurzen, dicken Griffel und der winzigen Narbe. Die Staubblätter sind in das Drüsengewebe eingesenkt und von einem ringförmigen Kragen umgeben [3, 8] Neben Pflanzen mit zwittrigen Blüten kommen auch solche mit kleinen weiblichen Blüten vor. Durch die strahlige Anordnung der freien, Blütenkronblätter wird der Nektar offen dargeboten und ist daher für eine Vielzahl von Insekten, auch mit kurzem Rüssel, zugänglich [9] Hinzu kommt, dass die 4 etwa bis zur Hälfte miteinander verwachsen Kelchblätter nach unten umgeschlagen sind. Die Nektarproduktion ist außerdem so reichlich, dass der Nektar innen und außen an den Blütenblättern und auch den Kelchblättern herunterläuft und auch dort von den Insekten aufgeschleckt werden kann.


Der Blick auf die Oberfläche der Blüte zeigt die vier strahlig angeordneten grünlich weißen Blütenkronblätter und den dunkelgrünen nektarabsondernden Diskus im Zentrum der Blüte. Am Rand des Diskus stehen die 4 kurzen Staubblätter und in der Mitte der Fruchtknoten. Foto: M. Neitzke


Die Detailzeichnung einer seitlichen Ansicht einer Blüte des Pfaffenhütchens (Detail 3, rechts) zeigt die oberständige Stellung des Fruchtknotens deutlicher, als dies auf einem Foto (rechts) möglich ist. (Zeichnung: C. A. M. Lindman (1901 – 1005), Foto: M. Neitzke


Ein Blick unter die Blüte zeigt die 4 herabgeschlagenen grünlich weißen Kelchblätter zwischen den Blütenkronblättern. Deutlich sind die hellen Pollenkörner in der Behaarung der blütenbesuchenden Insekten zu erkennen. Fotos: M. Neitzke


Der Diskus produziert den Nektar in so großen Mengen, daß er über die Blüten- und Kelchblätter fließt. Die Insekten können daher den Nektar nicht nur von dem Diskus abschlecken (links), sondern auch von der Ober- und Unterseite der Kronblätter (Mitte) und sogar von den Kelchblättern. Fotos: M. Neitzke

Die Blüten stehen in lockeren, 1-3 cm lang gestielten Blütenständen in den Blattachseln. Etwa 2-6 Blüten sind jeweils zu einer Trugdolde zusammengefasst. Die Eigenschaft dieses Blütenstandes – die einzelnen Blüten stehen alle mehr oder weniger in einer Ebene - erlaubt es den blütenbesuchenden Insekten ohne viel Energieaufwand von einer Blüte zur nächsten zu spazieren.


Die Blüten sind in gestielten Blütenständen, die als Trugdolden bezeichnet werden angeordnet. Foto: M. Neitzke


In dem Blütenstand, in dem die Blüten annähernd auf gleicher Höhe stehen, können die Insekten, wie z.B. eine Fliege, leicht und ohne großen Energieaufwand von einer Blüte zur nächsten spazieren. Fotos: M. Neitzke

Die unregelmäßig auf den Blüten herumlaufenden und Nektar schlürfenden Insekten berühren mit ihren verschiedenen Körperteilen sowohl die Staubbeutel als auch den Griffel. Der an ihrem Körper anhaftende Pollen kann so auf die reifen Narben übertragen werden. Eine Selbstbestäubung wird hierbei weitgehend ausgeschlossen, da die Staubbeutel vor den Narben reifen.


Die unregelmäßig auf den Blüten herumlaufenden Insekten streifen mit ihrem gesamten Körper den Pollen aus den reifen Staubbeuteln, um ihn dann auf der Narbe älterer Blüten abzustreifen. Die Fremdbestäubung ist gesichert. Fotos: M. Neitzke

Die Früchte des Europäischen Pfaffenhütchens


So unscheinbar die Blüten des Pfaffenhütchens sind, desto spektakulärer sind die von September bis Oktober reifenden Früchte. Bei den Früchten handelt es sich um eine stumpf vierkantige Kapsel mit vier rundlichen Segmenten. In der Kapsel befinden sich 4 Fächer mit je 2 Samenanlagen in jedem Fach.[3] Die Wand der Kapsel verfärbt sich während der Reife von grün, über rot in ein strahlendes Purpurrosa. Bei Reife öffnen sich die etwa 1 bis 1,5 cm breiten Kapseln mit vier Klappen. Dann wird der orangefarbene, fleischige Samenmantel (Arillus) sichtbar, der die weißen, eiförmigen etwa 5-7 mm langen Samen umgibt. Nach dem Aufspringen der Kapsel hängen die Samen an einem Faden aus der Kapsel heraus. Der durch Carotinoide orange gefärbte Samenmantel steht in auffallendem Kontrast zu dem Purpurrosa der reifen Kapsel. Vögel werden durch diese auffällige Farbgebung angelockt. Der äußerst fettreiche Samenmantel dient den Tieren, die an der Verbreitung der Samen beteiligt sind als Nahrung. Mit einem Fettgehalt von 36- 54 % pro g Trockengewicht gehören die Früchte des Europäischen Pfaffenhütchens zu den fettreichsten Früchten, während der Proteingehalt (7-10 %) und der Kohlenhydratgehalt (etwa 9 %,) als durchschnittlich hoch einzustufen sind.[16] Auch der Carotinoidgehalt ist mit 2mg/l relativ hoch.[16]


Der deutsche Name „Pfaffenhütchen“ wurde wegen einer gewissen Ähnlichkeit der aufgesprungenen Früchte mit der Kopfbedeckung katholischer Geistlicher gewählt.[1]  


Die Frucht des Pfaffenhütchens ist eine 4fächerige Kapsel mit 4 rundlichen Segmenten. In den Fächern befinden sich die Samen, die von einem orangeroten Samenmantel, dem sog. Arillus umhüllt werden. In den Samen befinden sich, eingebettet in ein weißes Nährgewebe, die grünen Keimlinge. Foto: M. Neitzke


Während der Reife färbt sich die Kapselwand intensiv purpurrosa und der orangefarbene Samenmantel nimmt an Volumen zu. Foto: M. Neitzke


Die reifen Kapseln öffnen sich durch Aufreißen der Fächer. Die orangeroten Samenmäntel der Samen werden jetzt sichtbar. Fotos: M. Neitzke


Nach dem Aufspringen der Kapsel hängen die Samen an einem Faden aus der Kapsel heraus. Die weißen Samen werden von dem orangefarbenen Samenmantel vollständig eingehüllt. Foto: M Neitzke

Insgesamt 24 verschiedene Vogelarten wurden bei dem Verzehr der Samen des Pfaffenhütchens beobachtet, darunter die Amsel (Turdus merula), die Singdrossel (Turdus philomelos), die Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla), das Rotschwänzchen und das Rotkehlchen (Erithacus rubecula).[16] Die Samen des Pfaffenhütchens sind typische Mundwanderer, d.h. die Samen werden von den Tieren in den Mund bzw. Schnabel genommen und später ausgespuckt oder fallengelassen. Besonders Rotkehlchen schälen die fleischige Samenhülle ab oder speien die weißen Samen wieder aus.[2] Auch Vertreter aus der Familie der Meisen, wie z.B. Kohlmeise (Parus major) die Sumpfmeise (Parus palustris) oder die Schwanzmeise (Aegithalos caudatus) sind, vor allem im Winter bei Verzehr der Samen beobachtet worden.[16]


Obwohl die Samen und Arillus als giftig für Säugetiere gelten, werden vor allem Mäuse bei ihrem Verzehr beobachtet. Neben Vögeln gelten sie als die Hauptverbreiter der Samen des Europäischen Pfaffenhütchens.[16]


Das Europäische Pfaffenhütchen ist  relativ resistent gegen Äsung durch Rehe und Hirsche. Diese fressen zwar an ihm, es ist aber nicht ihr Lieblingsfutter.[16]


Rotkehlchen und Rotschwänzchen gehören im Herbst zu den Liebhabern der Früchte des Pfaffenhütchens. Fotos: M. Neitzke


Die Mönchsgrasmücken (Weibchen: links und Mitte, Männchen: rechts) pflücken die Samen mit dem orangefarbenen Samenmantel aus den Kapseln. Fotos: M. Neitzke


Auch wenn die Samen, wie hier einer Amsel, gelegentlich wie in einem Schlaraffenland direkt in den Schnabel wachsen, muss doch auch ab und zu mal ein langer Hals gemacht werden. Fotos: M. Neitzke


Auch die noch nicht ausgereiften Früchte finden ihre Liebhaber, wie hier eine Blaumeise. Fotos: M. Neitzke

Die Früchte des Pfaffenhütchens stellen ein wichtiges Winterfutter für unsere einheimischen Vögel dar. Bei reichem Fruchtansatz bleiben viele Samen noch bis zu den ersten Frösten und darüber hinaus an den Sträuchern. Auf die Bedeutung der Samen des Pfaffenhütchens für die Ernährung der Vögel weist auch der volkstümliche Name „Rotkehlchenbrot“ hin.


Erste Fröste haben die bereits leeren Kapseln aber auch die noch in den Kapseln hängende Samen mit Raureif überzogen. Das Pfaffenhütchen ist eine wichtige Nahrungsquelle für unsere heimischen Vögel bis weit in den Winter hinein. Foto M. Neitzke

Die Blätter des Europäischen Pfaffenhütchens



Die gegenständigen, etwa 4 -12 cm langen und 2 - 3,5 cm breiten Blätter sind einfach, d.h. die Blattspreite (Blattfläche) besteht aus einer zusammenhängenden Fläche. Ihr Umriss ist elliptisch bis eiförmig mit der größten Breite in der Mitte. Das Blattende ist schmal zugespitzt, der Blattgrund dagegen keilförmig ausgebildet. Der Blattrand ist sehr fein und regelmäßig gesägt. Sowohl Ober- als auch die Unterseite sind kahl. Die Oberseite ist mittel- bis dunkelgrün, die Unterseite etwas heller.


Die elliptischen bis eiförmigen Blätter sind an ihrem oberen Ende schmal zugespitzt und am Blattgrund keilförmig. Der Blattrand ist sehr fein und regelmäßig gesägt. Die Oberseite (links) ist mittel- bis dunkelgrün (blaugrün), die Unterseite etwas heller (rechts). Fotos: M. Neitzke

Die Blätter der Pfaffenhütchen werden vor allem von Raupen der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte (Yponomeuta cagnagella) gefressen. Die hellgrünen bis cremefarbenen, bis 20 mm langen Raupen leben von Mai bis Juni gesellig in feinen Gespinsten auf den Büschen und fressen im Schutz des Gespinstes die Blätter bis auf die Blattadern ab. Die Larven werden von verschiedenen Arten der Raupenfliegen parasitiert.


Die bis zu 20 mm lang werdenden, gelbgrünen bis cremefarbenen Larven der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte weisen auf jedem Körpersegment zwei dunkle Punkte auf (Mitte). Sie überziehen den befallenen Strauch mit einem feinen Gespinst (links) in dessen Schutz sie die Blätter bis auf die Blattadern abfressen. Die erwachsenen Tiere (Imagos) besitzen einen weißen Kopf, eine weiße Brust und weiße Vorderflügel mit blauschwarzen Punkten (rechts). Die dunklen Hinterflügel sind in der Ruhestellung nicht zu erkennen Fotos: M. Neitzke

Die Blütenbesucher des Europäischen Pfaffenhütchens



Von dem in großen Mengen von den Blüten des Europäischen Pfaffenhütchens produzierten Nektar profitieren zahlreiche Insekten, die im Gegenzug für eine Bestäubung der Blüten sorgen.

Die Blüten des Europäischen Pfaffenhütchens werden von einer Vielzahl Insekten bestäubt. Durch die Fremdbestäubung wird eine Durchmischung des genetischen Materials sichergestellt. Fotos: M. Neitzke

Vor allem kurzrüsselige Insekten wie die Französische Feldwespe (Polistes dominula) und verschiedene Fliegenarten profitieren von der offenen Darbietung des Nektars. Unter den Schwebfliegen, die beim Besuch der Blüten beobachtet werden, sind auch Arten, die bei der biologischen Schädlingsbekämpfung eine Rolle spielen, da ihre Larven sich von Blattläusen ernähren. Neben der Honigbiene wurde nur eine Wildbiene, die Rotpelzige Sandbiene (Andrena fulva) beobachtet.[21]


Eine Honigbiene schleckt den Nektar von der Unterseite der Blüte (links), den Blütenkronblättern (Mitte) und dem Diskus. Fotos: M. Neitzke


Die Französische Feldwespe (Polistes dominula) ernährt sich räuberisch von Insekten und Spinnen aber auch von Blütennektar. Mit ihrem nur 3 mm langen Rüssel gehört sie zu den Profiteuren des offen dargebotenen Nektars der Blüten des Europäischen Pfaffenhütchens. Fotos: M. Neitzke


Während sich die Larven der Totenkopfschwebfliege (Myathropa florea) in schlammigem Wasser (z.B. Pfützen) entwickeln, sind die erwachsenen Tiere auf Blüten anzutreffen, wo sie Pollen und Nektar fressen. Fotos: M. Neitzke


Die Nahrung der erwachsenen Tiere der Gemeinen Feldschwebfliege (Eupeodes corollae) besteht aus Pollen und Nektar, die Larven hingegen bevorzugen fleischliche Kost und ernähren sich in erster Linie von Blattläusen. Fotos: M. Neitzke 


Während sich die erwachsenen Tiere der Hain- oder Winterschwebfliege (Episyrphus balteatus) von Pollen und Nektar ernähren, leben die Larven überwiegend von Blattläusen. Fotos: M. Neitzke

Auch Vertreter der Schmeißfliegen (Schmeißfliege (Calliphora spec., links) der Echte Fliegen ((Muscidae) Goldfliege (Lucilia spec.), Mitte) und der Igelfliegen (Tachinidae) (Tachina spec.), rechts) sind Nutznießer der reichlichen Nektarabsonderung von dem fleischigen Diskus. Bei ihrem Blütenbesuch leisten gleichzeitig wertvolle Bestäubungsarbeit. Fotos: M. NeitzkeNeuer Text

Mit zu den skurilsten Blütenbesuchern gehört wohl die Gewürfelte Tanzfliege (Empis tessellata) aus der Familie der Tanzfliegen (Empididae) (Ordnung: Zweiflügler (Diptera)) mit ihrem ungewöhnlichen Körperbau. Während der grauschwarze, schlanke Körper mit etwa 9-13 mm relativ groß und kräftig ist, ist der Kopf auffallend klein und kugelig. Der Rüssel ist lang, dünn und gerade. Er kann nicht zusammengelegt werden, sondern wird nach hinten unten getragen. Die erwachsenen Tiere leben sowohl räuberisch, indem sie andere Insekten jagen als auch vegetarisch von Nektar, den sie von verschiedenen Blüten saugen.[5, 9]


Zu den skurilsten Blütenbesuchern des Pfaffenhütchens gehört die 9-13 mm große, kräftige, grauschwarze Gewürfelte Tanzfliege mit dem auffallend kleinen runden Kopf und dem langen abwärts gerichteten Saugrüssel. Die auch räuberisch lebende Fliege hat sich hier für den Nektar der Blüten des Pfaffenhütchens entschieden. Fotos: M. Neitzke

Literatur:


  1. Danert, S., Hammer, K., Hanelt, P., Kruse, J., Helm, J., Lehmann, O. & J. Schultze-Motel (1993): Urania-Pflanzenreich – Blütenpflanzen 1., Urania- Verlag, Leipzig, Jena, Berlin, 590 S.
  2. Düll, R. & Kutzelnigg, H. (1994): Botanisch-ökologisches Exkursionstaschenbuch. Quelle & Meyer, Wiesbaden.
  3. Graf, J. (1975): Tafelwerk zur Pflanzensystematik. J.F. Lehmanns Verlag, München. 161 S.
  4. https://www.haut.de
  5. https://www.naturspaziergang.de/Zweiflügler/Empis_tesselata.htm
  6. Huang, Z.-R., Lin, Y- K. & J.-Y. Fang (2009): Biological and pharmacological activities of squalene and related compounds. Potential uses in cosmetic dermatology. Molecules, 14: 540-554.
  7. Jäger, E.J. (Hrsg.) (2011): Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband. 20. Aufl., Springer Spektrum, Berlin Heidelberg.
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  9. Kugler, H. (1970): Blütenökologie, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, 2. Aufl. 345 S.
  10. Lindman, C. A. M. (1901-1905): Bilder ur Nordens Flora.
  11. Müller, H. (1873): Die Befruchtung der Blumen durch Insekten. Leipzig.
  12. Popa, O., Băbeanu, N. E., Popa, I., Nitã, S. & C. E. Dinu-Pârvu (2015): Methods for obtaining and determination of squalene from natural sources. Bio Med. Res. Int. 2015; 2015: 367202.doi:10.1155/2015/367202. Epub 2015 Jan 28. PMID: 25695064; PMCID: PMC4394104
  13. Schönfelder, I. & Schönfelder, P. (2010): Der Kosmos Heilpflanzenführer. Kosmos-Verlag, Stuttgart, 446 S.
  14. Senghas, K. & Seybold, S. (2003): Schmeil – Fitschen - Flora von Deutschland. 92. Aufl., Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim.
  15. Sturm, J. (1902): Sturm`s Flora von Deutschland. 7. Band, Hrsg.: Krause, E. H. L., Stuttgart, Verlag K. G. Lutz, 2. Aufl., 224 S., 64 Tafeln. 
  16. Thomas, P. A., El-Barghati, M. & A. Polwart (2011): Biological flora of the british isles: Euonymus europaeus L. J. Ecol., 99, 345-365.
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  19. Vrubel, O., Korobova, O., Humenyuk, S. & V. Antonoyuk (2019): Identification and quantification of squalene in european spindle seed oil (Euonymus europaeus L.) by optimized high performance liquid chromatography (HPLC) procedure. J. Pharmacogn. Phytochem. 8: 1722-1726.
  20. Vrubel, O. R., Darmohray, R. Y., G. & V. O. Antonoyuk (2020): Morphological and anatomical study of the bark, leaves and seeds of Euonymus europaeus L. J. Pharmacogn. Phytochem., 9: 1297 -1299. 
  21. Westrich, P. (2018): Die Wildbienen Deutschlands. Eugen Ulmer, Stuttgart, 821 S.
  22. www.umweltschutz.wien.gv.at. (Silvia Kubu, 2021: Das Artensterben im Cremetiegel).
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