Das Schneeglöckchen gehört zu den bekanntesten Elementen der Biodiversität Mitteleuropas, hat es doch wegen seines frühen Blühbeginns für die meisten Menschen eine wichtige psychologische Bedeutung. Seine ökologische Bedeutung hingegen wird häufig übersehen. Auch seine Wertschätzung, die es aufgrund seiner wertvollen Inhaltsstoffe durch die Pharma- und in jüngster Zeit auch durch die Kosmetikindustrie erfährt, ist den wenigsten bekannt.
Aufgrund ihres zeitigen Blühbeginns gelten das Schneeglöckchen (Galanthus nivalis L.) und der Haselstrauch (Corylus avellana L.) als Frühlingsboten und als Symbol für den Beginn neuen Lebens. Zusammen mit dem Haselstrauch läuten die Blüten des Schneeglöckchens in Hecken, Wäldern, Gebüschen sowie Gärten und Parks den Vorfrühling ein.
Das Schneeglöckchen wächst an Heckenrändern, in Wäldern, Gebüschen und Gärten. Foto: M. Neitzke
Sobald eine bestimmte Bodentemperatur überschritten wird (einige Tage über 5 °C), treiben die Zwiebeln mit deren Hilfe die Schneeglöckchen überwintern, aus.[11] Je nach Härte des Winters kann dies bereits im Januar oder Februar, auch unter einer leichten Schneedecke, geschehen. Die Triebspitzen schieben sich dann durch die Schneedecke hindurch. Bei den Franzosen heißen die Schneeglöckchen daher auch „perce-neige“, was übersetzt „die, die den Schnee durchbohren“ oder „die, die durch den Schnee durchkommen“, bedeutet. Auch einen Wintereinbruch mit Schnee und Frost während der Blütezeit können die Schneeglöckchen, wenn er nicht allzu plötzlich kommt, überstehen.
Aufgrund bestimmter Anpassungsmechanismen können Schneeglöckchen auch bereits unter einer Schneedecke mit dem Austreiben beginnen. Foto: M. Neitzke
Auf diese Beobachtung, der im Schnee blühenden Schneeglöckchen sowie auf die Blütenfarbe und -form nehmen auch der wissenschaftliche und deutsche Trivialname Bezug. Der lateinische Gattungsname „Galanthus“ setzt sich aus den griechischen Worten „gála“ für „Milch“ und „ánthos“ für „Blüte“ zusammen. Man kann ihn also frei mit „Milchblume“ übersetzen.[6, 10] Der Artname „nivalis“ bedeutet „schneebedeckt“. Dieser frühe Blühtermin mit all seinen Gefahren wird erst durch eine Reihe faszinierender Anpassungen möglich. Dazu gehört die Wärmebildung durch den Stoffwechsel der Pflanzen, ein Prozess der als „Thermogenese“ bezeichnet wird, und bei Bedarf, die Bildung von Frostschutzmitteln innerhalb der Pflanze.[8] Von diesen Anpassungen der sog. Vorfrühlingsblüher profitiert auch die Tierwelt. So werden die Schneeglöckchen mit zu den ersten Pollen- und Nektarquellen für die aus ihrer Winterruhe erwachenden Insekten, die als Vollinsekten (Imagos) überwintern.
Für viele Insekten gehört das Schneeglöckchen zu den ersten Pollen- und Nektarquellen und ermöglicht ihnen so einen Start nach der Winterruhe. Fotos: M. Neitzke
Zu ihnen zählen neben einigen früh fliegenden Wildbienenarten, wie z.B. die Königin der Erdhummel (Bombus terrestris), die Zweifarbige Sandbiene (Andrena bicolor), die Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes), einige Schmalbienenarten sowie die ebenfalls überwinternden Weibchen verschiedener Schwebfliegenarten wie z.B. der Mistbiene (Eristalis tenax) und der Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus). Aber auch unsere Honigbiene, die mit zu den häufigsten Besuchern der Schneeglöckchenblüten zählt, gehört zu den Nutznießern dieser frühen Pollen- und Nektarquelle. Auch frühzeitig durch die ersten wärmenden Sonnenstrahlen aus ihren Winterquartieren gelockte Schmetterlinge, wie der Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni) nutzen diese frühe Nektarquelle.
Aber nicht nur die Fähigkeit des Schneeglöckchens unter widrigen Umweltbedingungen auszutreiben und zu blühen, auch ihre Gehalte an biologisch aktiven Substanzen sind beachtenswert. Bekannt sind die Amaryllisgewächse, so auch das Schneeglöckchen, für ihre Gehalte an giftigen Alkaloiden in allen Pflanzenteilen. Sie werden dadurch sowohl zu Gift- als auch zu Heilpflanzen. Aufgrund seines Gehaltes, an dem nach der Gattung Galanthus benannten Alkaloid Galantamin, wurde das Schneeglöckchen zu einem bedeutenden Beispiel für die Entwicklung eines Arzneimittels aus einem Naturstoff in neuerer Zeit. Galantamin wurde der Ausgangsstoff für ein Medikament gegen eine der furchteinflößendsten Krankheiten, der Alzheimer Erkrankung.[9, 14,15, 16] Michael Heinrich ein bedeutender Ethnopharmakologe, schreibt „Es ist bezeichnet, dass ein wichtiges Medikament zur Behandlung einer der schwersten Demenz-Erkrankungen aus einem kleinen Frühlingsboten, der auch ein Symbol für die Regenerationskraft der Natur ist, entwickelt wurde.“[14] Die potentiellen Verwendungsmöglichkeiten des Schneeglöckchens werden aber nicht nur durch ihre Alkaloide bedingt, da die Amaryllisgewächse ein vielfältiges Sortiment an Polyphenolen synthetisieren, die für ihre antioxidativen, antibakteriellen und entzündungshemmenden Eigenschaften bekannt sind. In jüngster Zeit rücken Verwendungsmöglichkeiten des Schneeglöckchens bei der Bekämpfung des Corona-Virus in den Blickpunkt der Forschung.[13, 20] Aber auch in der Kosmetikindustrie beginnt das Schneeglöckchen aufgrund der großen Bandbreite an Inhaltsstoffen mit ihren für die Pflege der Haut interessanten Eigenschaften eine immer größere Rolle zu spielen.[18, 24, 27]
Der einzigartige Gehalt an bioaktiven Inhaltsstoffen macht das Schneeglöckchen zu einer begehrten Pflanze in der Pharma- und Kosmetikindustrie. Fotos: M. Neitzke
Aufgrund seines wertvollen Gehaltes an sekundären Pflanzenstoffen hat das Schneeglöckchen in den letzten Jahren Eingang in die Kosmetikindustrie gefunden. Extrakte von Schneeglöckchen sind in Reinigungsprodukten für Gesicht und Körper, Shampoos und Pflegeprodukten wie Cremes und Hautgelen, Gesichtsmasken, Tonern, Sonnenschutzmitteln sowie Produkten zur Pflege der empfindlichen Augenpartie verarbeitet.
Für die Kosmetikindustrie sind sowohl die ganze Pflanze als auch die Samen von Interesse. Die Extrakte der Samen gelten als hautpflegend und feuchtigkeitsspendend. Sie sollen in Hautpflegeprodukten daher als Feuchtigkeitsspender fungieren und die Widerstandskraft der Haut stärken.[18] Diese Eigenschaft der Samen kann mit ihrer chemischen Zusammensetzung erklärt worden. Sowohl die Samen selbst als auch deren nährstoff- und fettreiche Anhängsel (Ölkörper, Elaiosom) weisen neben hohen Proteingehalten einen hohen Fettgehalt auf. Den größten Anteil machen die für die Hautpflege wertvollen ungesättigten Fettsäuren aus. So spielt die dominante mehrfach ungesättigte Linolsäure aufgrund ihrer feuchtigkeitsspendenden und entzündungshemmenden Eigenschaften eine entscheidende Rolle bei der Hautpflege. Dies gilt auch für die beiden weiteren in den Samen und Ölkörpern nachgewiesenen mehrfach ungesättigten Fettsäuren, wie die ɣ-Linolensäure, die Linolensäure und die einfach ungesättigte Ölsäure. ɣ-Linolensäure, stärkt die Hautbarriere, verbessert die biomechanischen Hauteigenschaften und glättet die Hautoberfläche. Ölsäure hilft die Wirkstoffe in die Haut zu transportieren. Daneben wurden zahlreiche gesättigte Fettsäuren, wie Palmitinsäure, Caprinsäure, Caprylsäure, Stearinsäure, Myristinsäure, Palmitoleinsäure nachgewiesen.[12] Das Vorkommen der zweifach ungesättigten Fettsäure cis-1,16 Docasadiensäure, für die eine antibakterielle Wirkung nachgewiesen wurde, ist typisch für die Amaryllisgewächse.
Unter den freien Aminosäuren akkumulieren die Amaryllisgewächse in erster Linie die stickstoffreiche Aminosäure Arginin, die zu 31 % aus Stickstoff besteht, sowie die Glutaminsäure und Glutamin.
Die Samen des Schneeglöckchens enthalten zahlreiche für die Hautpflege interessante Fettsäuren[12]
Zusätzlich zu den Samen sind Extrakte aller oberirdischen Pflanzenteile für die Kosmetikindustrie von Interesse. Neben hohen Alkaloidgehalten, die für die Familie der Amaryllidaceen typisch sind[3], konnten sowohl in den Extrakten der Gesamtpflanze[2, 4] , als auch derjenigen der Blüten[27] und Blätter[7] zahlreiche Polyphenole, darunter verschiedene Flavonoide und Phenolcarbonsäuren[5] nachgewiesen werden, die für die antioxidative, entzündungshemmende und antimikrobielle Wirkung der entsprechenden Extrakte verantwortlich sind. Auch zahlreiche organische Säuren sind für die Gesamtextrakte dokumentiert.[5] Den Auszügen der ganzen Pflanzen wird eine feuchtigkeitsspendende, regenerierende und aufhellende Wirkung auf die Haut zugeschrieben. Sie sollen die Hautelastizität verbessern und die Hautalterung verzögern. Aufgrund dieser Eigenschaften sind Präparate, die Schneeglöckchenextrakte enthalten, hervorragend für eine Anti-Aging Hautpflege geeignet.[24].
Schneeglöckchenextrakte besitzen aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung positive Wirkungen auf die Haut.[1, 22]
Bei ihrer Verteidigung gegen Fressfeinde und Krankheitserreger haben die Amaryllisgewächse und damit auch das Schneeglöckchen auf Alkaloide gesetzt. Der Gehalt an sog. Amaryllidaceen-Alkaloiden in dem Schneeglöckchen liegt zwischen 0,2 und 1,6 %. Alle Pflanzenteile, bes. die Zwiebel sind aufgrund ihres Alkaloidgehaltes giftig. Nachgewiesen wurden u.a. die Alkaloide Galantamin, Haemanthamin, Narwedin, Masonin, Nivalin, Hippeastrin, Lycorin und Nartazin. Viele Amaryllidaceen-Alkaloide, darunter das Lycorin wirken gegen Viren und Bakterien, können Krebszellen abtöten und beeinflussen das Immunsystem.[21]
In der Volksheilkunde Mitteleuropas ist das Europäische Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) so gut wie unbekannt. Berichte über den Einsatz des Schneeglöckchens in der Traditionellen Medizin liegen vor allem aus Osteuropa, z.B. Rumänien, der Ukraine, den Balkanländer, ostmediterranen Länder, Georgien und der Türkei vor. In der Volksmedizin wurde es zur Behandlung von Schmerzen, Migräne und Kopfschmerzen sowie zur Regulierung der Monatsblutung bei zu schwacher Monatsblutung eingesetzt.
Außergewöhnliche Bedeutung für die Medizin erlangte das Schneeglöckchen als es gelang auf der Basis des in ihm vorkommenden Alkaloids Galantamin ein Medikament gegen Alzheimer-Demenz auf den Markt zu bringen. Alzheimer ist die häufigste Form der Altersdemenz. Typische Symptome sind Gedächtnisverlust, Verlust der Urteilsfähigkeit und Verlust der Orientierung. Zum ersten Mal wurde Galantamin aus dem Kaukasischen Schneeglöckchen (Galanthus woronowii) isoliert und zu einem Medikament gegen Alzheimer Demenz entwickelt.[9, 14, 15, 16]. Die ersten Untersuchungen über die Inhaltsstoffe und deren Wirkung wurden Anfang der 50iger Jahre in Bulgarien und der UDSSR durchgeführt. Der Reinstoff wurde zunächst in Osteuropa vor allem zur Behandlung der Symptome von Kinderlähmung eingesetzt. Ab 2000 erhielt Galantamin in zahlreichen europäischen Ländern die Zulassung als Arzneimittel zur symptomatischen Therapie der Alzheimer Demenz.[14] Die Entwicklung von Medikamenten mit Galantamin gilt als eines der bekanntesten Beispiele für die Entwicklung von Arzneistoffen auf der Grundlage von lokalem traditionellem Wissen in neuerer Zeit. Den Berichten eines russischen Pharmakologen zufolge sollen Bäuerinnen am Fuße des Kaukasus (Südrussland und Georgien) Kindern, die an Kinderlähmung litten, einen Aufguss aus den Zwiebeln des Kaukasischen Schneeglöckchens (Galanthus woronowii) gegeben haben. Die Kinder sollen ohne Spätfolgen gesund geworden sein. Dies ist einer der wenigen ethnobotanischen Berichte aus zweiter Hand über die Verwendung von Schneeglöckchen.[14] Ab 1956/57 wurde Galantamin auch aus dem Europäischen Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) gewonnen. Das zentrale Anliegen zu dieser Zeit war die Entwicklung eine Medikamentes gegen die Kinderlähmung, die in den 1950er und 60er Jahren eine der gefürchtetsten Kinderkrankheiten in Europa war.[14] Große Mengen an Galantamin konnten auch aus dem Sommermärzenbecher (Leucojum aestivalis) isoliert werden, der lange Zeit Quelle für den Naturstoff Galantamin war und dadurch in seinen natürlichen Beständen stark bedroht wurde. Heute kann Galantamin synthetisch hergestellt werden. Die Entwicklung eines Medikamentes gegen Alzheimer-Demenz war ein langer Weg, der Anfang der 1960er Jahre mit Tierversuchen begann und im Jahr 2000 mit der Zulassung eines Medikamentes zur Behandlung der Symptome einer leichten bis mittelschweren Alzheimer Demenz endete.[9, 14, 15, 16] Die Wirkung des Galantamin beruht auf der Hemmung eines bestimmten Enzyms im Gehirn, der sog. Acetylcholinesterase. Dieses Enzym spaltet den wichtigen Botenstoff Acetylcholin im Gehirn in seine Bausteine Essigsäure und Cholin. Acetylcholin spielt als Botenstoff, der die Signale zwischen den Nervenzellen übermittelt eine wesentliche Rolle bei der Steuerung wichtiger Körperfunktionen, wie dem Herzschlag, der Atmung oder dem Gedächtnis. Bei der Alzheimer-Krankheit entsteht ein Mangel an Acetylcholin. Dieser kann durch Medikamente ausgeglichen werden, die das Enzym, das den Botenstoff Acetylcholin spaltet, die sog., Acetylcholinesterase, hemmen. Und genau hierin besteht die Wirkungsweise des Galantamins. Galantamin hemmt die Aktivität der Acetylcholinesterase, wodurch die Konzentration an Acetylcholin im Gehirn erhöht wird. Dadurch ist es möglich die Symptome einer leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz-Erkrankung zu lindern.[9, 14, 15, 16]
Dieses Beispiel zeigt die Bedeutung der ethnobotanischen Forschung für die Entwicklung neuer Medikamente auf der Basis von Naturstoffen.[14, 15, 16] Es zeigt aber auch, wie wichtig der Schutz der Ressource Biodiversität und der Schutz Traditionellen Wissens ist.
Weitere medizinisch interessante Inhaltsstoffe des Schneeglöckchens sind die sog. Lektine. Sie bilden die Grundlage für moderne Verfahren zur Bekämpfung gefährlicher Virusinfektionen, wie z.B. die Infektion mit dem Ebola-Virus oder dem Coronavirus.[1, 13, 20] Lektine sind in der Natur weit verbreitete Proteine, die spezifische Kohlenhydratstrukturen binden, und daher in der Lage sind, sich speziell an Zellen bzw. Zellmembranen zu binden. In Versuchen konnte gezeigt werden, daß Lektine u. a. auch das Schneeglöckchen-Lektin (Galanthus-nivalis- Agglutin, GNA) an die Glykoproteine der Hüllen von Viren binden.[1, 13].Diese Tatsache kann ausgenutzt werden, um in einer Art Blutwäscheverfahren Viren, u.a. das Corona-Virus und das Ebola-Virus aus dem Blut zu entfernen.[20]
In vielen Ländern wird das Schneeglöckchen, in der Homöopathie bei bestimmten Herzleiden eingesetzt.[4, 5, 26] Als Droge dient die frische blühende Pflanze.
Das Schneeglöckchen (Galanthus nivalis L.) gehört zusammen mit den Narzissen oder Osterglocken (Narcissus spec.) und dem Märzenbecher bzw. Knotenblume (Leucojum spec.) zu den Amaryllisgewächsen (Amaryllidaceae) und somit zur Gruppe der Einkeimblättrigen Pflanzen (Monokotyledonen). Den meisten von uns dürfte diese Familie aber durch die unter dem deutschen Namen „Ritterstern“ (Hippeastrum) bekannte, aus Südamerika stammende Gattung, vertraut sein. Aufgrund ihrer riesigen roten und weißen Blüten wird sie, vor allem im Winter, aus den großen Zwiebeln als Zimmerpflanze gezogen.
Der Ritterstern (Hippeastrum) gehört mit seinen eindrucksvollen roten Blüten gerade in der Winterzeit zu einer der beliebtesten Zimmerpflanzen. Fotos: M. Neitzke
Das Schneeglöckchen ist ein sog. Zwiebelgeophyt. Mit seiner unterirdisch wachsenden Zwiebel überdauert es den größten Teil des Jahres in der Erde.[6, 10] Treibt sie im Frühjahr aus, werden zwei – selten drei, grundständige, bis zu 15 cm lange, schmale, fleischige, bläulich grüne bzw. grau-grün bereifte Blätter und ein nur wenig längerer Blütenstandsschaft mit einer einzelnen nickenden Blüte gebildet. Nach der Blüte und Fruchtbildung werden die Blätter gelb und ziehen ein. Bis zum Frühsommer sind sie daher verschwunden.
Das Schneeglöckchen gehört zu den Zwiebelgeophyten. Im Frühjahr treiben aus der Zwiebel die Laubblätter und der Blütenstängel mit den Blüten. Foto: M. Neitzke, Zeichnung: Sturms, J. (1906).
Die Blütenhülle des Schneeglöckchens ist aus 6 Blütenblättern, die in 2 Kreisen zu je 3 Blütenblättern angeordnet sind, aufgebaut. Die Blütenblätter des inneren Kreises stehen in den Blattlücken des äußeren. Die 3 Blütenblätter des äußeren und inneren Kreises unterscheiden sich deutlich hinsichtlich ihres Aussehens und ihrer Funktion voneinander. Im aufgeblühten Zustand spreizen die drei äußeren weißen Blütenhüllblätter auseinander, während die drei inneren zusammenneigen und die Form eines Glöckchens bilden.[22] Diesem glockenförmigen Aussehen der Blütenhülle und der Tatsache, dass sie manchmal im Schnee blüht, hat der Pflanze auch den deutschen Namen „Schneeglöckchen“ zu verdanken.
Die 3 inneren Blütenblätter der Blütenkrone des Schneeglöckchens neigen sich zu einem Glöckchen zusammen und unter-scheiden sich in Größe, Form und Färbung deutlich von den 3 äußeren Blütenblättern. Fotos: M. Neitzke
Während die äußeren Blütenblätter rein weiß sind, tragen die inneren Blütenblätter auf ihrer Außenseite an der stumpfen, leicht eingekerbten Spitze einen grünen V-förmigen Fleck und auf der Innenseite eine Reihe grüner Längsstreifen, die durch die weißen nektarführenden Rillen voneinander getrennt sind. Diese chlorophyllführenden Male duften deutlich intensiver als die übrigen Teile der Blütenblätter.[22] Es handelt sich um sog. Duftfelder, die den Insekten zur Orientierung dienen.[10] Diese Duftfelder lassen sich relativ leicht sichtbar machen, in dem man lebende Blüten in eine verdünnte wässrige Lösung einlegt, die einen bestimmten roten Farbstoff, das sog. Neutralrot enthält.[17] Bei dem Neutralrot handelt es sich um einen sog. Vitalfarbstoff. Darunter versteht man Farbstoffe, die in lebende Zellen aufgenommen werden können, ohne wesentlichen Schaden anzurichten. Da die Zellwände der Zellen in Duftfeldern, die die ätherischen Öle abgeben, ebenso wie die darüber liegende Cuticula (wachsartige Überzug auf den Pflanzen) recht porös sind – sonst könnten ja die Duftstoffe nicht durch die Wände und die Cuticula nach außen abgegeben werden – kann das Neutralrot in die Zellen der Duftfelder eindringen und diese rot färben. Blütenbereiche die keine Duftstoffe absondern, nehmen Neutralrot nicht oder nur kaum auf.
Die Lage der Duftfelder in den Blütenblättern wurde mit einer Färbung mit Neutralrot sichtbar gemacht. Deutlich ist die stärkere Färbung der inneren Blüteblätter und des V-förmigen Duftmals auf der Außenseite der Blütenblätter zu erkennen. Die Aufmerksamkeit der anfliegenden Insekten wird durch den stärkeren Duft der inneren Kronblätter auf die Staubblätter und den Nektar im Inneren der Blüte gelenkt. Fotos: M. Neitzke
An dem Zustandekommen der weißen Blütenfarbe der Blütenblätter des Schneeglöckchens ist übrigens ein physikalischer Prozess beteiligt, der uns vor allem aus dem Tierreich bekannt ist. Viele schillernde Farben von Vogelfedern und Schmetterlingsschuppen entstehen durch Brechungserscheinungen an entsprechenden Strukturen der Federn oder Flügel. Man spricht dann auch von „Strukturfarben“. Bei den Pflanzen sind es die luftgefüllten Hohlräume zwischen den Zellen (Interzellularen) des Blütengewebes (Mesophyll) die für die strukturell bedingte weiße Blütenfarbe verantwortlich sind.[10, 17] An ihnen kann es zu einer Totalreflexion des einfallenden Lichtes kommen. Die betreffenden Blüten erscheinen dann weiß. Die Innenseite der äußeren Blütenhüllblätter und die chlorophyllfreien Streifen der Innenseite der inneren Blütenhüllblätter zeigen UV-Reflexion. Die Blüten heben sich daher auch bei Schnee deutlich vom Hintergrund ab.[10]
Im Zentrum der Blüte befinden sich die 6 Staubblätter, mit ihren kurzen Staubfäden und den relativ großen auffällig gelb-orangenen Staubbeuteln. Die Spitzen der länglichen, spitz zulaufenden, dicht aneinander stehenden Staubbeutel sind nach innen in Richtung Griffel gebogen und schließen relativ eng an diesen an. Die Gesamtheit der Staubbeutel erhält durch diese Anordnung das Aussehen eines Kegels. Die Staubbeutel entlassen ihren Pollen durch eine lanzettliche Öffnung in ihrem oberen Ende in das Innere dieses Kegels. Bei Erschütterung oder Berührung durch ein Insekt entleert sich der trockene Pollen wie aus einer Streubüchse auf dessen Körper.[17, 22] Man spricht daher auch von einem sog. Streukegel. Die Spitzen der Staubbeutel sind leicht nach außen gekrümmt. Zusammen mit den hakenförmig nach außen gebogenen Spitzen der Konnektive (Verbindungsstücke zwischen den beiden Staubbeutelhälften) wird dadurch die Chance erhöht, dass selbst kleine Insekten, wie einige früh fliegende Wildbienen oder Fliegen den Streukegel erschüttern und der Pollen herausrieselt.[17]
Die Entfernung eines Teils der Blütenhülle erlaubt einen Blick ins Innere der Blüte des Schneeglöckchens. Außerdem wurden die vorderen Staubblätter entfernt, um den Blick auf den Griffel und die Lage der Staubblätter und des Griffels zueinander freizugeben. Foto: M. Neitzke
Pro Staubbeutel werden durchschnittlich 62850 Pollenkörner bzw. 0,66 mg Pollen produziert.[29] Diese passen genau auf die Papillen auf der Oberfläche der Narbe, die genau die Größe der Pollenkörner aufweisen. Da der Griffel aus dem Streukegel herausragt, kommt ein mit Pollen aus seinem vorherigen Blütenbesuch eingepudertes Insekt immer zuerst mit der Narbe der als nächstes besuchten Blüte inKontakt.[22]
Blick ins Blüteninnere eines Schneeglöckchens von unten. Die 6 gelborangenen Staubblätter bilden einen Streukegel. Auf der grün gefärbten Innenseite der inneren Blütenhüllblätter ist deutlich der gelborangene Pollen zu erkennen. Dieser ist aus dem Kegel herausgefallen. Foto: M. Neitzke
Ob Honigbiene (Apis mellifera), Erdhummel (Bombus terrestris) oder die Mistbiene (Eristalis tenax), sie alle stäuben sich bei Berührung des Streukegels auf der Suche nach Nektar und Pollen im Inneren der Schneeglöckchenblüte mit dem gelb-orangenen Pollen aus dem Streukegel ein. Fotos: M: Neitzke
Kommt es aus einem Mangel an bestäubenden Insekten oder für einen Insektenflug ungünstigen Witterungsbedingungen nicht zu einer Bestäubung der Blüten, wird die Blüte also nicht fremdbestäubt, kann es am Ende der Blütezeit auch zu einer Selbstbestäubung kommen. Allerdings unterbleibt hierbei eine Vermischung des Erbgutes genetisch unterschiedlicher Individuen und die bei diesem Prozess entstehenden Individuen sind mit ihren Elternindividuen genetisch identisch.
Da der Griffel aus dem Streukegel herausragt, kommt ein mit Pollen aus seinem vorherigen Blütenbesuch eingepudertes Insekt immer zuerst mit der Narbe der als nächstes besuchten Blüte in Kontakt. Die Fremdbestäubung ist gesichert! Fotos: M. Neitzke
Während der Pollen der Schneeglöckchen für einige Insekten eine wichtige Eiweißquelle darstellen, sind andere wiederum nur an dem Nektar interessiert. Der Nektar findet sich sowohl in den hellen nektarführenden Rillen zwischen den grünen Längsstreifen auf der Innenseite der inneren Blütenblätter als auch in einem nektarproduzierenden Drüsengewebe auf dem Fruchtknoten.[22]
Aufgrund der offenen Darbietung des Nektars in den Nektarrinnen können auch Insekten mit kurzen Rüsseln den Nektar aufschlecken. Obwohl die Nektarproduktion einer einzelnen Blüte nicht sehr hoch ist (Nektar- und Pollenwert: 2), wird dies doch dadurch wettgemacht, dass die Schneeglöckchen meistens in Gruppen wachsen.
Die Hain- oder Winterschwebfliege (Episyrphus balteatus) schleckt mit ihrem Rüssel den Nektar aus den „Nektarrinnen“ auf der Innenseite der inneren Kronblätter. Ein äußeres und ein inneres Blütenhüllblatt wurde entfernt, so dass der Blick in das Innere der Blüte frei wird und die Schwebfliege beim Nektarschlecken beobachtet werden kann. Fotos: M. Neitzke
Sobald die Samenanlagen in den unterständigen Fruchtknoten befruchtet sind und sich die Samen bilden, erschlaffen die Fruchtstängel und sinken mit ihren fleischigen Kapseln zu Boden.
Längsschnitt durch den unterständigen Fruchtknoten und Entfernung der vorderen Blütenblätter. Foto: M. Neitzke
Das Herabsinken der reifenden Kapseln wird als Anpassung an die Verbreitung der Samen durch Ameisen (Myrmekochorie) gedeutet, für die die Samen auf dem Boden leichter zugänglich sind.
Noch unreife, fleischige auf den Boden gesunkene Früchte (links, Foto: M. Neitzke) und reife an der Spitze aufspringende Frucht (rechts, Abb. Sturms, J., 1906).
Die Samen besitzen ein nährstoff- vor allem fettreiches hakenförmiges Anhängsel (Ölkörper, Elaiosom), das die Samen für Ameisen extrem attraktiv macht. Haben Ameisenarbeiterinnen die Samen mit den Ölkörpern gefunden, beginnen sie damit, diese in ihr Nest zu transportieren. Bereits unterwegs auf dem Weg zum Nest oder im Nest fressen die Ameisen den Ölkörper ab und lassen den Samen liegen bzw. entsorgen sie in der Nähe der Nester.
Die Samen der Schneeglöckchen besitzen nährstoffreiche Anhängsel. Diese sind bereits bei den unreifen Samen in der Samenkapsel zu erkennen (links). An den reifen Samen (rechts) dienen sie der Verbreitung durch Ameisen. Fotos: M. Neitzke, Zeichnung (Mitte): Sturms (1906).
Zusätzlich zu der Verbreitung der Samen findet eine vegetative Vermehrung durch die Bildung von Tochterzwiebeln statt, so dass sich im Laufe der Zeit mehr oder weniger große Horste bilden.
Die Art der Nektardarbietung und die Form der Blüte ermöglichen eine hohe Vielfalt an Besuchern der Schneeglöckchenblüten. Zu den Blütenbesuchern des Schneeglöckchens zählen neben einigen früh fliegenden Wildbienenarten, wie z.B. der Königin der Erdhummel (Bombus terrestris), der Zweifarbigen Sandbiene (Andrena bicolor), der Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes), einigen Schmalbienenarten auch die ebenfalls überwinternden Weibchen verschiedener Schwebfliegenarten wie z.B. der Mistbiene (Eristalis tenax) und der Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus). Aber auch unsere Honigbiene, die mit zu den häufigsten Besuchern der Schneeglöckchenblüten zählt, gehört zu den Nutznießern dieser frühen Pollen- und Nektarquelle. Frühzeitig durch die ersten wärmenden Sonnenstrahlen aus ihren Winterquartieren gelockte Schmetterlinge, wie der Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni) nutzen diese frühe Nektarquelle ebenfalls. Da der Nektar u.a. auch offen in den Nektarrinnen auf der Innenseite der inneren Blütenkronblätter dargeboten wird, ist er auch für Insekten mit kurzen Rüsseln zugänglich. Neben unserer Honigbiene und den Wildbienen mit langen Rüsseln finden sich daher auch kurzrüsselige Fliegen ein, um sich an dem Nektarangebot zu bedienen. Auch sie verlassen reichlich mit Pollen eingestäubt die Blüte nach einer Mahlzeit. Ihre Bedeutung für die Bestäubung dürfte aber im Vergleich zu der der Bienen eher gering sein. Die Bandbreite der Rüssellänge der Blütenbesucher ist relativ groß. Den längsten Rüssel hat mit 19-21 mm die Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes)[30], dicht gefolgt von den Königinnen der Erdhummel mit 9-10 mm. Die Honigbiene und die Mistbiene liegen mit 6,5 mm bzw. 7-8 mm eher im Mittelfeld. Die kürzesten Rüssel haben die Schmeiß- und Dungfliegen mit 3-4 mm.[22]
Die Frühlingspelzbiene hat mit 19-21 mm den längsten Rüssel der Blütenbesucher des Schneeglöckchens. Foto M. Neitzke
Die Honigbiene besucht bei sonnigem Wetter sehr eifrig die Blüten. Nach der Landung wendet sie sich sofort zum Blütenein-gang, um Pollen zu sammeln oder Nektar zu trinken. Fotos: M. Neitzke
Zum Pollen sammeln hält sie sich mit Hinterbeinen an der Außenseite eines inneren Blütenblattes festgeklammert. So hängend, bürstet sie mit der Fersenbürste der Vorder- und Mittelbeine die Antheren ab und streift den in diesen Bürsten haften gebliebenen Pollen in die Sammelkörbchen der Hinterschienen.[23] Fotos: M. Neitzke
Manchmal muss man ganz tief in die Blüte abtauchen, um zum Ziel zu kommen. Fotos: M. Neitzke
Die frisch aus der Winterruhe erwachte Königin der Erdhummel stellt sich doch etwas unbeholfen an, wenn es darum geht an den Nektar im Inneren der Schneeglöckchenblüte zu gelangen. Fotos: M. Neitzke
Geschafft! Und jetzt noch kräftig festhalten. Eventuell muss man schon mal 2 Blüten gleichzeitig zur Hilfe nehmen. Gut, dass die Blütenblätter nicht miteinander verwachsen sind. So kommt, auch der dickste Hummelkopf noch ins Innere der Blüte und an den Nektar. Fotos: M. Neitzke
Nach dem Kampf mit Blüte ist die Hummel über und über mit Pollen bestäubt, der jetzt zur nächsten Blüte transportiert werden kann. Fotos: M. Neitzke
Die Gelbe Dungfliege (Scatophaga stercoraria) eine Vertreterin der Dungfliegen, kann mit ihrem kurzen Rüssel von 3 mm den offen dargebotenen Nektar an den Innenseiten der inneren Blütenblätter abschlecken. Fotos: M. Neitzke
Auch die zu den Schmeißfliegen gehörende Graugelbe Polsterfliege (Pollenia rudis) kann trotz ihres kurzen Rüssels (2 mm) aufgrund des Baus der Blüte und der Art der Nektardarbietung das frühe Nahrungsangebot durch das Schneeglöckchen nutzen. Fotos: M. Neitzke
Die Bestäubungsaktivität der Insekten sorgt für eine ständige Vermischung des Erbgutes. Diese genetische Diversität ist Grundlage für die chemische Diversität in einer Pflanze, also auch der des Schneeglöckchens (Galanthus nivalis L.). Die ungeheure Mannigfaltigkeit an chemischen Verbindungen, den sekundären Pflanzenstoffen in einer Pflanze, ist die Grundlage für die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten in Schönheitspflege und der Medizin.
Möglicherweise war die Wirkung des Schneeglöckchens auf das Gehirn auch den klassischen Griechen bekannt. Es wird spekuliert, dass Homer dieses Wissen in seiner Odyssee verarbeitete, indem er der Pflanze die Rolle eines Gegengifts gegen den Zaubertrank einer Hexe zuweist.[9, 25] Der Sage nach landet Odysseus nach dem Sieg über Troja auf seiner Irrfahrt heim nach Griechenland auf der Insel Aiaia, auf der die Zauberin Kirke lebt. Diese verwandelt alle Fremden, die die Insel betreten, mit Hilfe eines Zaubertranks, den sie unter die Speisen mischt, die sie den Fremden anbietet, in wilde Tiere, u.a. auch Schweine. Nur Odysseus entgeht dieser unerfreulichen Verwandlung, da er, als er seinen Freunden zur Hilfe eilt auf den Gott Hermes trifft, der ihm neben Verhaltensmaßnahmen, vor allem eine Pflanze mitgibt, die ihn vor dem Zaubertrank der Kirke schützen soll. Dieses geheimnisvolle, heilsame Kraut, das von den Göttern „Moly“ genannt wird und nur von diesen aus dem Boden gegraben werden kann, wird in der Odyssee als eine Pflanze mit einer schwarzen Wurzel und milchweißen Blüte beschrieben. Lange Zeit wurde gerätselt, um welche Pflanze es sich hierbei handeln könnte, wenn denn diese Zauberpflanze ein reales Vorbild hat. Heute vermuten viele Forscher, dass es sich bei der geheimen Pflanze „ moly“ um das Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) handelt. Als Gründe hierfür werden neben einer Übereinstimmung zwischen der Beschreibung der Pflanze „Moly“ und dem Erscheinungsbild des Schneeglöckchens, wie “schwarze Wurzel (Zwiebel) und milchweiße Blüte“, auch die Wirkungsweise angeführt.[9] So wird angenommen, dass der Zaubertrank der Kirke sehr wahrscheinlich Schwarzes Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) oder Alraune (Mandragora officinarum) enthielten. Beides sind Pflanzen, die für ihren Gehalt an Halluzinationen erzeugenden Alkaloiden bekannt sind. Menschen, die diese Drogen zu sich nahmen, berichten, dass sie davon träumten Tiere, beispielsweise Schweine zu sein.[9] Das in dem Schneeglöckchen enthaltene Galantamin kann die Wirkung von Tropan-Alkaloiden wie L-Hyoscyamin und Scopolamin aufheben. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre die Verwendung von Schneeglöckchen als Gegengift bei Vergiftungen mit Tropan-Alkaloiden plausibel.[9, 14, 25]
Das Schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) war vermutlich ein Bestandteil des Zaubertrankes der Zauberin Kirke, die die Gefährten des Odysseus in Tiere verwandelte. Foto: M. Neitzke
Das frühe Blühen des Schneeglöckchens zu einer Zeit im Jahr, zu der die Umweltbedingungen noch rau und unwirtlich daherkommen, haben das Schneeglöckchens zu einem Symbol für Neubeginn, Hoffnung und Wiedererwachen gemacht und daher auch immer wieder Dichter, inspiriert. Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857) drückte seine Gefühle bei dem Anblick der ersten Schneeglöckchen des Jahres in folgendem Gedicht aus:
Schneeglöckchen
`s war doch wie ein leises Singen
In dem Garten heute Nacht,
wie wenn laue Düfte gingen
„Süß Schneeglöckchen nun erwacht,
denn die warme Zeit wird bringen,
eh`s noch jemand hat gedacht.“-
`s war sein Singen, s` war ein Küssen,
rührt die stillen Glöckchen sacht,
dass sie alle tönen müssen
von der künftgen bunten Pracht.
Ach, sie konnten`s nicht erwarten,
aber weiß von letztem Schnee
war noch immer Feld und Garten,
und sie sanken um vor Weh.
Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857)
Auch Theodor Storm zeigt sich beeindruckt von der Fähigkeit des Schneeglöckchens zeitig im Jahr bei Temperaturen auszutreiben, die für die allermeisten anderen Pflanzen viel zu ungünstig sind.
Und aus der Erde schauet nur
Alleine noch Schneeglöckchen;
So kalt ist noch die Flur,
Es friert im weißen Röckchen.
Theodor Storm (1817-1888)
Literatur
30. Westrich, P. (2018): Die Wildbienen Deutschlands. Eugen Ulmer, Stuttgart, 821 S.